zum Hauptinhalt
Innenminister Boris Pistorius (SPD) im niedersächsischen Landtag in Hannover.

© dpa/Julian Stratenschulte

Neuer Verteidigungsminister: Pistorius kann nur erfolgreich sein, wenn auch Scholz seine Versäumnisse erkennt

Das Verteidigungsministerium bekommt mit Pistorius einen Mann mit Durchsetzungskraft. Aber er braucht auch die volle Rückendeckung der Regierungsparteien.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Es ist verdächtig, wie einig sich alle in der Schuldzuweisung sind: Es lag an Christine Lambrecht. Das ist zwar nicht falsch. Sie war die falsche Person für dieses Ministeramt.

Das ist jedoch bestenfalls die halbe Erklärung für ihr Scheitern. Ihr Nachfolger Boris Pistorius wird nur Erfolg haben, wenn Kanzler Olaf Scholz und seine Koalitionspartner auch die andere Seite des Problems offen angehen.

Das besteht darin, dass Bundesverteidigungsminister schon seit geraumer Zeit nicht auf die gleiche politische Rückendeckung zählen können wie andere Kabinettskollegen. Seit dem Ende des Ost-West-Konflikts ist die Distanz zu allem Militärischen in Gesellschaft und Politik gewachsen.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Wenn es eng wird, wenn aus Problemen Affären oder gar Skandale werden, können, zum Beispiel, die für Verkehr oder Energie zuständigen Minister darauf vertrauen, dass der Kanzler und die Regierungsparteien sie nicht so schnell fallen lassen. Für Verteidigungsminister gilt das nicht unbedingt.  

Der entscheidende Unterschied

Die Redensart, dass dieser Posten ein Schleudersitz sei, kommt nicht von ungefähr. Aber liegt das wirklich daran, dass die Aufgaben komplizierter oder umstrittener sind als in anderen Ressorts? Oder daran, dass sich Fehlleistungen in anderen Ministerien leichter überleben lassen? Weil der politische Wille in den Regierungskoalitionen für die Verteidigung der eigenen Leute dort ausreicht, im Fall der Verteidigungsminister und -ministerinnen hingegen nicht?

Richtig ist: Die Bundeswehr, ihre Einsätze und die Beschaffung teurer Waffen sind umstritten. Sie zieht mitunter Rechtsradikale und dubiose Berater an. Da wird schnell ein Rücktritt gefordert.

Aber die Verkehrs- oder die Energiepolitik ist ebenfalls komplex und umstritten. Die zuständigen Bundesminister haben schwere Fehler gemacht, siehe die Affären um Lkw-Maut, verpasste E-Mobility, Nord Stream und die Energieabhängigkeit von Russland. Das blieb aber folgenlos für die Minister. Ihre Ressorts gelten nicht als Schleudersitze.

Der entscheidende Unterschied ist: Es gibt kein breites Interesse an Verteidigungspolitik in Gesellschaft und Politik. Und kein großes Verständnis für ihre Notwendigkeiten und Zielkonflikte. Bei Verkehr, Energie, Soziales, Umwelt und Klima ist das anders.

Eigentlich sollte man erwarten, dass der Ukrainekrieg das ändert. Und dass die Politik diese Zeitenwende nutzt, um die Bedeutung von Sicherheit und Verteidigung im Bewusstsein der Bürger wieder stärker zu verankern.

Das Verteidigungsministerium braucht eine Person mit mehr Durchsetzungskraft. Diesen Ruf bringt Boris Pistorius mit.

Christoph von Marschall

Bisher gilt: Wer im Verteidigungsministerium überleben will, muss mehr Einsatz, mehr Lernwillen und mehr Leidensbereitschaft an den Tag legen als in anderen Ressorts.

Daran hat es Christine Lambrecht gefehlt. Die Bundeswehr interessierte sie nicht. Sie betrachtete den Posten als Job wie in anderen Ministerien.

Das ist er aber nicht. Schon gar nicht jetzt, da die Bundeswehr im Überschalltempo modernisiert werden muss. Fortschritte hat es in dem knappen Jahr seit der Zeitenwende-Rede und den 100 Milliarden Sondervermögen kaum gegeben.

Das Verteidigungsministerium braucht eine Person mit mehr Durchsetzungskraft. Diesen Ruf bringt Boris Pistorius mit. Aber er braucht auch die volle Rückendeckung der Regierungsparteien und ihrer Bundestagsfraktionen. Hoffentlich haben das alle Beteiligten in Berlin nun verstanden.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false