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Hat die Zinsen deutlich erhöht: die Europäische Zentralbank.

© AFP/Daniel Roland

Kampf gegen die Inflation: Der Niedrigzins war eine Ausnahme mit gefährlichen Folgen

Die Zentralbanken werden das Geld so schnell nicht mehr billig machen. Das ist auch gut so. Die Rückkehr zum höheren Zinsniveau ist auch eine Rückkehr zur Vernunft.

Ein Kommentar von Albert Funk

Es sind gerade harte Zeiten für alle, die glauben, es werde sich bald erledigt haben mit der hohen Inflation und den damit verbundenen höheren Zinsen. Wer meint, dass bald wieder herrscht, was vor einigen Jahren als neue Normalität bezeichnet wurde, sollte sich die Augen reiben.

Neue Normalität: Damit war eine neue Ära dauerhaft niedriger Zinsen, einer geringen Inflation, des billigen Geldes bei geringer Entwertung gemeint – sozusagen eine Epoche immerwährenden Glücks dank traumhafter Umstände. Denn sind Zinsen nahe null nicht eine tolle Sache? Geld kostet schließlich praktisch nichts – was das für Möglichkeiten schafft.

Man konnte sich billig verschulden und sich auf Kredit mehr leisten. Das galt für Verbraucher, für Unternehmen, für die Regierungen. Die Schuldenstände wuchsen. Aber dank niedrigem Zins ließ sich dies leichten Sinnes zu neuer Normalität erklären. Die kreditfinanzierte Welt war eine schöne Welt.

Unschön war, dass eine Pandemie dazwischen kam und dann Putins Krieg. Die Weltlage geriet aus den Angeln. Lieferketten brachen zusammen, Energie wurde teuer. Die Preise begannen zu steigen. Nun ist die Inflation zurück, und wir haben nicht wenig davon. Der aktuelle Juni-Wert für Deutschland: 6,4 Prozent, ein leichtes Plus gegenüber dem Vormonat. Höhere Zinsen ließen nicht lange auf sich warten - und sie werden noch steigen.

Die Signale der vergangenen Tage sind eindeutig. Der Chef der US-Zentralbank Fed hat sich zuletzt nicht mehr so optimistisch geäußert, trotz der ersten Zinspause in den USA seit gut einem Jahr. Die Bank of England musste den Zins deutlich erhöhen, um der aus dem Ruder laufenden Inflation auf der Insel Herr zu werden.

Bundesbank-Chef Joachim Nagel sagt, man dürfe nicht zu früh aufgeben im Kampf gegen die zu hohe Inflation. Die wahre Kunst der Geldpolitik beginne jetzt erst – also die gar nicht so einfache Aufgabe, mit Zinserhöhungen die Teuerung weiter einzudämmen und dabei die Wirtschaft nicht zu crashen. Denn darum geht es: Die wirtschaftliche Aktivität zu verlangsamen. Sagt nicht nur Nagel. 

Gefahr eines Hoch-Inflationsregimes

Der Chefvolkswirt der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich warnt, es drohe die Gefahr, bei einem Nachlassen der Zinserhöhungen in ein Hoch-Inflationsregime zu geraten, je länger die Inflation anhalte. Die Spitze des Internationalen Währungsfonds sieht es auch so – und empfiehlt vor allem den Regierungen, über ihre Finanz- und Haushaltspolitik die Inflation nicht auch noch anzutreiben.

Aber das ist eben das Problem: Dass diejenigen, die der Verlockung des billigen Geldes zu sehr nachgegeben haben, nun in Kreditklemmen geraten. Im Bankensystem lauern schon wieder Gefahren. Verschuldete Unternehmen müssen mehr für den Schuldendienst aufbringen. Hoch verschuldete Staaten bekommen wieder Druck. Aber die Inflation und ihre Folge, der höhere Zins, lassen sich nicht aus der Welt schaffen, indem die Geldschleusen wieder geöffnet werden.

Niedrigzins war eine Ausnahmesituation

Niedrige Zinsen mögen eine Zeit lang gut gewesen sein. Und sie mögen weiterhin verlockend wirken. Aber die neue Normalität, die nun wieder von der alten, echten Normalität verdrängt wird, war eine Ausnahmesituation. Die Rückkehr zu einem höheren Zinsniveau ist auch eine Rückkehr zur Vernunft. Schon deswegen, weil Niedrigzins und zuletzt Nullzins auch ihren Anteil an den deutlich höheren Preisen von heute haben.

Und mal ehrlich: Wer hat denn vor allem in der Ära des billigen Geldes profitiert? Es waren die Reichen, die Vermögenden, die obere Mitte. Der allgemeinen Inflation dieser Tage ging die bis jetzt nicht wirklich geplatzte Vermögenspreisblase voraus – mit immer höheren Immobilienpreisen, damit höheren Mieten, mit extremen Vermögenszuwächsen an den Börsen auf Kredit.

Lohn-Preis-Spirale wirkt schon

Die Inflation wird bleiben. Denn sie wirkt sich jetzt dort aus, wo bisher nicht profitiert wurde. Es ist die breite Mitte der Gesellschaft, die angesichts der hohen Preise über ihre Gehaltsforderungen die Lohn-Preis-Spirale in Gang setzt. In den USA ist die Inflation nach Ansicht von Experten schon weitgehend lohngetrieben, in Europa wird das noch kommen. EZB-Chefin Christine Lagarde hat sich am Dienstag entsprechend geäußert.

Höhere Gehälter auf breiter Basis sollten nun aber nicht als Fehler betrachtet werden. Man kann sie nicht allein als Kompensation für aktuelle Preiserhöhungen sehen, sondern auch als Ausgleich der Vermögensinflation in den vergangenen Jahren, die an vielen vorbeigegangen ist.

Die Demografie kommt hinzu. Auf beiden Seiten des Atlantiks endet das Arbeitsleben der Boomer, es herrscht Mangel an Arbeitskräften, was die Löhne treibt und damit eben die Preise. Damit wird eine höhere Inflation zum Dauerzustand.

Von den aktuellen Höhen wird sie zwar herunterkommen, aber wie weit, ist unklar. Drei, vier, fünf Prozent könnten es noch länger sein. Eine neue Niedrigzinsphase wird es wohl so schnell nicht mehr geben. Diese Illusion sollte sich gerade die Politik nicht machen. Es ist auch ganz gut so.

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