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Ein ukrainischer Soldat an der Front im Süden.

© Reuters/Stringer

Freiheitskampf der Ukraine: Der Krieg wird erstmal bleiben – was jetzt zu tun ist

Der Westen muss auf den Verzug bei der ukrainischen Offensive reagieren – mit noch entschiedenerer Unterstützung. Und einer diplomatischen Offensive. Denn Putin kann den Krieg immer noch verlieren.

Ein Kommentar von Benjamin Reuter

Im Ukraine-Krieg stehen Wochen der Entscheidung an. Aber anders, als viele Beobachter dachten. „In diesem Krieg geht nichts mehr schnell“, analysierte kürzlich der Militärexperte Konrad Muzyka mit Blick auf die Geschehnisse an der Front. Die Folge, wie es Nato-Chef Jens Stoltenberg an diesem Wochenende sagte. „Die Nato-Staaten müssen sich auf einen langen Krieg vorbereiten.“

Die Entscheidungen fallen also auf absehbare Zeit nicht auf dem Schlachtfeld. Das macht sie an anderer Stelle umso dringlicher. Was genau ist zu tun?

Erstens: Die Ukraine-Hilfen – militärisch wie humanitär – müssen für die kommenden Jahre festgeschrieben werden. Erste Schritte in diese Richtung gibt es schon. Den des „EU-Außenministers“ Josep Borrell, der Kiews Unterstützern in Europa für die kommenden vier Jahre ein Budget von 20 Milliarden Euro zur Verfügung stellen will.

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Auf der anderen Seite des Atlantiks will US-Präsident Joe Biden ein ähnlich großes Hilfspaket schnüren. 20 Milliarden Dollar soll es umfassen. Beides, einmal abgesegnet, wäre ein klares Zeichen an Russlands Imperator Wladimir Putin, dass die Zeit nicht auf seiner Seite ist.

Kiew hat am Ende jede Waffe bekommen, die es wollte

Zweitens: Entschiedenheit zeigen, nicht zaudern. Hier rückt Kanzler Olaf Scholz ins Zentrum. Seit Wochen drückt er sich um ein Ja oder Nein bei der Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern. Paris und London haben ihre ähnlichen Modelle schon an Kiew abgegeben. Die Ukraine wird jede verfügbare konventionelle Waffe brauchen. Das muss auch in Berlin endlich klar sein. Plus die entsprechende Logistik. Plus den entsprechenden Nachschub. Plus das entsprechende Training für die Soldaten.

Rishi Sunak (l), Premierminister von Großbritannien, und Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine,  machen Selfies während eines Fluges mit einem Chinook-Hubschrauber der Royal Air Force.
Rishi Sunak (l), Premierminister von Großbritannien, und Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine, machen Selfies während eines Fluges mit einem Chinook-Hubschrauber der Royal Air Force.

© dpa / dpa/Zuma Wire/Plant Pix/Ukrainian Presidents Office

Wer diese Wahrheit einmal ausspricht, ist die leidige Diskussion um Liefern oder Nichtliefern los. Eine Lehre der vergangenen Monate ist doch, dass der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Ende jede Waffe bekommen hat, um die er gebeten hat. Kampfpanzer, Marschflugkörper, Streumunition, bald auch die Kampfjets. Jeden Zeitverzug zahlen zu viele ukrainische Kämpfer mit ihrem Leben.

Drittens: Eine diplomatische Offensive muss her. Ja, die wird ähnlich zäh wie die aktuelle auf dem Schlachtfeld. Aber klar ist, dass außer Putin und seinem kleinen Bruder im Geiste, Kim Jong Un, kein Staatenlenker ein Interesse daran hat, dass der Krieg ewig dauert.

Selenskyj weiß das. Er wird sich im Rahmen seiner Reise zum UN-Treffen in New York in dieser Woche mit Staatschefs treffen, die bisher eine neutrale bis Kreml-freundliche Haltung haben.

Wer diplomatisch etwas versuchen könnte? Vielleicht eine Allianz aus Kanada, Südafrika und Saudi-Arabien. Im Verbund wäre das bunte Trio nicht verdächtig, irgendeine Seite oder Sicht werde ignoriert.

Sie müssten Indien und China zu einer klaren Haltung drängen, mit dem Ziel, Druck auf Putin zu machen, sich einer Lösung zu beugen, die das Staatsgebiet der Ukraine in den international anerkannten Grenzen wiederherstellt.

Putin kann seine Kriegsziele nicht mehr erreichen

Freilich, keine Maßnahme allein wird Putin überzeugen, seinen mörderischen Feldzug abzublasen. Alle zusammen könnten ihn allerdings zum Nachdenken bringen, was er in der Ukraine noch erreichen kann.

Denn klar ist jetzt schon: Der Kremlherrscher kann den Krieg schmerzhaft in die Länge ziehen, gewinnen im Sinne seiner Kriegsziele von vor Beginn der Invasion kann er ihn nicht mehr. Sein militärisches Offensivpotential hat Russlands Armee, da sind sich die meisten Experten einig, auf absehbare Zeit gesehen erschöpft.

Ein letztes noch, und auch das kann Hoffnung machen: Der Erfolg von Kiews aktueller Offensive, so betonen es auch ukrainische Offizielle immer wieder, wird für sie weniger in Quadratkilometern befreitem Gebiet als in der Schwächung des Feindes gemessen. Und da ist Kiew derzeit sehr erfolgreich, an allen Abschnitten der Front, am erfolgreichsten wohl auf der Krim.

Putin hat schon zwei Mal gezeigt, dass er durchaus für Realitäten auf dem Schlachtfeld empfänglich ist. Bei seinem Rückzug vor Kiew und dem Abzug der russischen Truppen aus Cherson. Warum sollte das nicht noch einmal so sein?

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