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Die FDP, um Digitalminister Volker Wissing (Mitte), hat sich mit den Grünen (Robert Habeck, links) sowie der SPD (Olaf Scholz, rechts) geeinigt, dem AI Act doch zuzustimmen.

© dpa/Martin Schutt

Deutschland will KI-Gesetz doch zustimmen: Die Einigung ist ein Gewinn – vor allem für Europa

Die FDP um Digitalminister Volker Wissing hat ihren Widerstand gegen die europäische Regulierung von Künstlicher Intelligenz offenbar aufgegeben. Das war überfällig.

Ein Kommentar von Felix Kiefer

Ob Wissenschaft oder Wirtschaft, Technologie- oder Kreativbranche. Ob KI-Entwicklerinnen, Ethikexperten oder Verbraucherschützer. Von allen Seiten stieg in diesen Tagen der Druck auf die deutsche Bundesregierung, der europäischen Verordnung zur Regulierung Künstlicher Intelligenz (KI) am Freitag zuzustimmen. Wieder waren es Bedenken der FDP, die Deutschlands formale Billigung noch ins Wanken gebracht haben. Das systematische Behindern durch Enthaltung – in Brüssel mittlerweile als „German Vote“ bekannt – war erneut eine reale Gefahr.

Dass die Staatssekretärinnen und Staatssekretäre der Ampel sich nun endlich geeinigt haben, ist wichtig. Für Deutschlands Ansehen in Europa, aber vor allem für Europa selbst. Denn ohne KI wird man zukünftig nicht mehr wettbewerbsfähig sein können. KI ist die Schlüsseltechnologie unserer Zeit. Sie beschleunigt den Wandel in nahezu allen Sektoren. Sie erhöht die Produktivität und kann Wohlstandsverlusten durch demografiebedingte Arbeitskräfteengpässe entgegenwirken. Und um ihr Potenzial voll auszuschöpfen, braucht es klare Regeln.

Schutz für Grund- und Konsumentenrechte

Für einen regulatorischen Rahmen treten deswegen vor allem die KI-Firmen selbst ein: OpenAI-Gründer und ChatGPT-Erfinder Sam Altmann vor dem Kongress in den USA. Jonas Andrulis, Chef des Heidelberger Pendants und KI-Hoffnungsträgers Aleph Alpha, in Berlin und Brüssel. Ja, die Macher von KI-Technologie plädieren mit am lautesten für mehr Regulierung. Viele von ihnen waren aktiv am Gesetzgebungsprozess zur KI-Verordnung beteiligt.

Denn viel mehr als zu strenge Regeln, fürchten sie deren Fehlen. Sie brauchen eine Grundlage, auf der sie Anwendungen rechtssicher entwickeln können. Genau diese Rechtssicherheit schafft der im Dezember in langen Nächten ausverhandelte, über 800 Seiten lange Kompromiss von EU-Kommission, Parlament und Rat.

Er stellt vor allem den Menschen in den Fokus. Die KI-Verordnung schützt Grund- und Konsumentenrechte. Sie kategorisiert Anwendungen nach ihrem Risiko und gibt Klarheit darüber, wie hoch die Anforderung je Risikoklasse sind.

Grundsätzlich untersagt werden etwa Systeme, die die Vertrauenswürdigkeit von Menschen prognostizieren sollen. KI darf nicht anhand von selbst gesammelten Daten entscheiden, ob ich würdig bin, einen Kredit für mein Haus zu erhalten.

Eine Chance im Standortwettbewerb

Sehr hoch sind die Anforderungen überall dort, wo personenbezogene Daten verarbeitet werden oder die Auswirkungen das Leben von Menschen unmittelbar betreffen. Eine biometrische Überwachung in Echtzeit, etwa indem KI-Algorithmen dabei helfen, Gesichter zu erkennen, ist beispielsweise nicht zulässig.

Hoch sind die Hürden auch im medizinischen Bereich, wenn KI in der Diagnose oder Behandlung zum Einsatz kommt. Zum Beispiel, um individuelle Behandlungs- oder Medikationspläne zu erstellen. Die KI-Verordnung schreibt vor, welche Qualitätskriterien die Daten, mit denen Modelle trainiert, validiert und getestet werden, erfüllen müssen. Wie präzise das KI-Modell sein muss und wie gut es vor Cyberangriffen geschützt sein muss. Das alles und noch viel mehr regelt die KI-Verordnung.

Sollte sie am Freitag mit Zustimmung der Bundesregierung verabschiedet werden, ist das ein klares Signal der europäischen Handlungs- und Zukunftsfähigkeit.

Im harten globalen Standortwettbewerb ist es eine wichtige Chance, sich gegen die USA und China zu behaupten. Gerade wenn man es technologisch (noch) nicht mit Microsoft oder Google aufnehmen kann, ist die regulatorische Vorreiterrolle ein Distinktionsmerkmal Europas. Sie kann einen entscheidenden Teil dazu beitragen, dass sich mehr Firmen auf dem Kontinent niederlassen, um KI-Anwendungen zu entwickeln. Dass das mittlerweile auch alle Koalitionsparteien in Berlin verstanden haben, ist beruhigend. Jetzt muss diese Erkenntnis nur noch bei den weiteren Wackelkandidaten Frankreich und Italien einsetzen.

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