zum Hauptinhalt
Vereidigung. Lisa D. Cook wurde im Mai Mitglied des Gouverneursrats des US-amerikanischen Federal Reserve System. Nominiert worden war sie von US-Präsident Joe Biden. 

© Foto: Wikipedia/Federal Reserve

Mehr soziale Gerechtigkeit durch Diversität: Vielfalt in Führungsetagen

Die Bevölkerung in Deutschland präferiert Quoten für Frauen und Personen aus nichtakademischem Elternhaus.

Wirtschaft, Politik, Kultur, Wissenschaft: Wenn Spitzenpositionen diverser besetzt werden und verschiedene gesellschaftliche Gruppen repräsentieren, dann könnte das zu mehr sozialer Gerechtigkeit führen. Immer wieder wird deshalb über die Einführung von Quoten diskutiert und gerungen – vor allem für eine Frauenquote. Doch nicht nur der weibliche Anteil der Bevölkerung sollte stärker in Entscheidungs- und Führungspositionen vertreten sein. Öffentlich debattiert wird in Deutschland auch über mehr Repräsentanz für Menschen mit Zuwanderungsgeschichte, aus der queeren Community, aus nichtakademischen Elternhäusern oder für gebürtige Ostdeutsche. Die Makrosoziologin Céline Teney von der Freien Universität Berlin hat nun untersucht, welche gesellschaftlichen Gruppen aus Sicht der deutschen Bevölkerung vor allem stärker vertreten sein sollen in den Führungsetagen.

Vorweggenommen: Quotenanforderungen bei der Stellenbesetzung werden wissenschaftlich als „positive Diskriminierungsmaßnahme“ bezeichnet. Das bedeutet, dass Angehörige unterrepräsentierter Gruppen bei gleicher Qualifikation in Auswahlverfahren gegenüber anderen bevorzugt werden. Die Soziologie-Professorin und ihr Team haben gemeinsam mit Katja Möhring, Soziologie-Professorin von der Universität Mannheim, und dem Umfrageinstitut YouGov die Frage untersucht, wie groß die Unterstützung in der Bevölkerung in Deutschland für solche positiven Diskriminierungsmaßnahmen in Führungspositionen ist. In der Umfrage wurden im Juli 2021 bundesweit insgesamt knapp 2700 erwerbstätige Personen online befragt.

In Deutschland spielt die soziale Herkunft eine große Rolle für den Bildungserfolg

Konkret abgefragt wurde die Unterstützung von Quoten für Frauen und für Menschen mit Migrationsgeschichte. „Aber auch nach der Einführung von Quoten für Ostdeutsche, die auch mehr als 30 Jahre nach der Wiedervereinigung in Schlüsselpositionen verschiedener gesellschaftlicher Bereiche immer noch weitgehend unterrepräsentiert sind“, sagt Céline Teney. Zudem spielt in Deutschland stärker als in anderen Ländern die soziale Herkunft beim Bildungserfolg eine Rolle. Das setze sich später in den Berufskarrieren fort. Gefragt wurde in der Studie deshalb ebenso nach positiven Diskriminierungsmaßnahmen für Personen mit nichtakademischem Hintergrund, das heißt mit Eltern ohne Hochschulabschluss.

In der Studie befürworteten die Befragten vor allem – bei gleicher Qualifikation – eine bevorzugte Besetzung von Führungspositionen mit Frauen und Personen aus einem nichtakademischen Haushalt. Der durchschnittliche Zustimmungswert lag hier bei 5,5 auf einer Skala von 0 bis 10 Punkten. Unterstützung gab es auch für solche Maßnahmen für Menschen mit Migrationshintergrund oder gebürtige Ostdeutsche – aber der Zuspruch fiel mit durchschnittlich etwa 4,3 Punkten deutlich geringer aus.

„Dieser Befund unterstreicht, dass Personen aus einem Nicht-Akademiker-Haushalt eine wichtige soziale Gruppe darstellen, die von der deutschen Bevölkerung als benachteiligt wahrgenommen wird“, betont Céline Teney. Die schwächere Zustimmung für die beiden anderen Gruppen könne darauf zurückzuführen sein, dass Ostdeutschsein oder Migrationshintergrund für eine regionale Zugehörigkeit sprechen, während das Frau-Sein oder die Herkunft aus einem Nicht-Akademiker-Haushalt in der Allgemeinbevölkerung breiter verteilte Zuschreibungen seien, erklärt die Soziologin. Eine andere Erklärung verweise auf ein allgemeineres Problem der Identitätspolitik: die Forderung nach eindeutigen Kriterien für die Gruppenzugehörigkeit. Im Falle der Ostdeutschen – und in geringerem Maße auch bei Personen mit Migrationshintergrund – sei die Definition, wer zur Zielgruppe gehören soll, nicht unumstritten und außerdem nicht eindeutig, da die Grenzen zwischen einigen Unterscheidungskategorien verschwimmen.

Grundsätzlich sollte sich in Führungspositionen die Vielfalt der Bevölkerung widerspiegeln, um Legitimation sowie Vielfalt in Expertisen und Meinungen zu gewährleisten. Die neue Studie zeige, „dass die Ungleichheit bei der Besetzung von gesellschaftlichen Schlüsselpositionen im Bewusstsein der deutschen Bevölkerung durchaus präsent ist“, sagt Céline Teney. Wenn also Entscheiderinnen und Entscheider in Politik, aber auch in Unternehmen, die öffentliche Akzeptanz für Regelungen wie einer Quote erhöhen wollen, „sollten sie dieses öffentliche Bewusstsein für die Benachteiligung von Mitgliedern verschiedener unterrepräsentierter Gruppen bei der Besetzung von Führungspositionen berücksichtigen“, sagt die Soziologin.

Für den Inhalt dieses Beitrags ist die Freie Universität Berlin verantwortlich.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false