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Leon Goretzka war am Donnerstagabend des Öfteren gehörig unter Druck.

© dpa/Christian Charisius

Deutschland gegen Chile: Confed Cup im TV: Deutsche Weichzeichner und ein Lichtblick

Gegen Chile erlebt die deutsche Fußballnationalmannschaft heftiges Pressing, der deutsche Feldreporter hingegen presst nicht mal sanft. Bei der TV-Übertragung ist Mehmet Scholl der Lichtblick.

Confed-Cup, Deutschland – Chile, die ARD-Übertragung läuft, die Spannung steigt. Es gibt ja dieses Warten auf den Moment X: Wer? Wer stellt als Erster eine vollkommen sinnfreie Frage? Das Spiel ist abgepfiffen, Chile hat Deutschland 45 Minuten lang attackiert wie ein Stier den Torero in der Arena, eine Demonstration wuchtiger Körpersprache, bei der den jungen Deutschen Hören und Sehen verging. Jetzt die Stunde der TV-Feldreporter.

Also, wer ist der Erste? Gerhard Delling etwa? Ah, da rückt ja Jürgen Bergener ins Bild, alles klar. Bei der ARD (wie bei allen anderen TV-Anstalten) haben sie viele Spezialisten für Fragen der Kategorie: „Sie haben gerade im Viertelfinale mit Ihrer Mannschaft 2:0 gewonnen. Freuen Sie sich aufs Halbfinale?“. Bergener ist einer davon. Und was fragt Bergener nach diesem Spiel, nach dieser Wucht der Chilenen, die Profis wie den jungen Leon Goretzka fast umgehauen hätte?

Bergener fragt: „Ist das ein großer Erfahrungsschatz, den ihr da gemacht habt?“ Wäre ja endlich mal was gewesen, wenn Goretzka mit hochgezogenen Brauen geantwortet hätte: „Ach was, das war doch bloß ein lockeres Trainingsspielchen, das war doch kein Gegner. Was sollen wir denn aus so einem Freizeitkick lernen?“

Erfahrungsschatz im Bereich der Nahtod-Erfahrung

Immerhin, Bergener war der einzige Ausfall an diesem Abend. Es war eine unterhaltsame Übertragung, es war ein spannendes Spiel, es gab vor allem Mehmet Scholl. Matthias Opdenhövel, der Moderator, besetzte in diesem Stück bestmöglich seine Rolle: ein netter, nicht zu unauffälliger Stichwortgeber für den Experten Scholl. Der frühere Bayern-Profi, rhetorisch fit, dimmt die fernseh-typische Weichzeichner-Darstellung der deutschen Leistungen auf ein angenehmes, realistisches Maß. Die TV-Leute nähern sich oft genug im servilen Ton den deutschen Profis, reden Leistungen schön, die eigentlich mies waren, weil sie das eigene Produkt nicht kaputt machen wollen. Dann kommt Scholl, mit dem Blick des kritischen Experten, und erklärt, dass Julian Draxler „noch kein Führungsspieler ist und die ganz große Torgefahr nicht ausgestrahlt hat“. Goretzka, sagt Scholl, „braucht noch ein Gebilde, an dem er dran hängt. Er muss noch geführt werden.“ Und Lars Stindl, der das Tor gegen Chile geschossen hat? „Der“, sagt Scholl, „hat weniger Bälle verloren, als ich erwartet habe“. Braucht man viel Phantasie, um sich vorzustellen, wie ein Jürgen Bergener die Leistungen von Goretzka, Stindl und Draxler hochgejazzt hätte? Braucht man nicht.

Und was den Erfahrungsschatz angeht, den die Deutschen in diesem Spiel gemacht haben. Da bewegt man sich im Bereich der Nahtod-Erfahrung. „Ich bin froh, dass die Deutschen die erste Halbzeit überlebt haben“, sagt Scholl. Beim Bier kann er das Jürgen Bergener ja noch genauer erklären. Damit der auch seinen Erfahrungsschatz bekommt.

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