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Yoko Ono 2013 in ihrer Retrospektive „Half-A-Wind Show“ zum 80. Geburtstag der Künstlerin in der Frankfurter Schirn Kunsthalle.

© AFP

Yoko Ono wird 90: Ihren Ruhm hat sich die Künstlerin hart verdient

Sie soll die Beatles gespalten, ihren Mann John Lennon dominiert haben. Jenseits dieser Klischees gibt es aber auch ein autonomes Werk der Künstlerin.

Gerade erst hat Rita Kersting die Arbeit auspacken lassen. Sie befindet sich im Depot des Kölner Museum Ludwig und wird Teil einer Radio-Reportage über Yoko Ono. Kersting, stellvertretende Direktorin des Museums, beschreibt, was vor ihr auf dem Tisch liegt: Eine kleine Tube Sekundenkleber, der garantiert längst eingetrocknet ist. Ein Hammer und die als Gedicht formulierte Aufforderung, doch bitte die eigene Lieblingstasse zu nehmen und sie zu zertrümmern. Danach soll man sie mit dem Kleber wieder zusammensetzen.

Kein Zweifel, Yoko Ono stammt aus Japan, für das unscheinbare und doch kluge Kunstwerk „Mend Piece for John“ von 1968 verwendet sie die ihr vertraute Praxis des Kintsugi. Zerbrochene Keramik wird mit Goldverbindungen repariert und ist danach wertvoller als zuvor. Eine Idee, die der westlichen Kultur widerstrebt. Zu akzeptieren, dass sich aus Bruchstücken noch etwas machen lässt, ist so ungewohnt wie anziehend.

Fans machten sie für das Ende der Beatles verantwortlich

Man kann aber noch mehr von jener Künstlerin lernen, die heute ihren 90. Geburtstag feiert. Etwa wie es war, sich im traditionell konservativen Japan während einer Aktion öffentlich die Kleider vom Körper schneiden zu lassen. Oder den Vorwurf auszuhalten, sie sei für das Ende der Beatles verantwortlich gewesen, weil sie – ein Hippie, zänkisch und gierig nach Ruhm – John Lennon dem Rest der Band entfremdet habe. Dass sie Lennons mit Blut verklebte Brille nach dem tödlichen Attentat von 1980 auf das Cover des Albums „Season of Glass“ nahm, machte sie zur skandalösen „schwarzen Witwe“.

Yoko Ono nahm es mit derselben Gelassenheit hin, die schon zuvor ihre Kunst charakterisierte. Aushalten, das zählt zu den Prinzipien der großen Fluxus- und Performancekünstlerin, die dazu mit und ohne Lennon experimentelle Musik wie auch Filme realisiert hat. Ihre legendäre Performance „Cut Piece“ steht synonym für diese Strategie, die in Wahrheit eine Form des sanften Protestes ist. In Tokyo saß Yoko Ono auf der Bühne und forderte das Publikum auf, zur Schere zu greifen. Die Aggressivität, mit der einige der anwesenden Männer schließlich den BH der Künstlerin zerteilten, ließ die latente Gewalt in der japanischen Gesellschaft sichtbar werden. Die Verletzlichkeit der Künstlerin, ihre stumme Duldung auf den Bildern und in dem Video der frühen Performance ist auch heute schwer auszuhalten. Seither gilt Yoko Ono als feministische Pionierin.

Mit Lennons Brille protestierte sie gegen Schusswaffen

„Cut Piece“ wurde 1964 zum ersten Mal aufgeführt und machte sie damit noch vor ihrer Begegnung mit Lennon bekannt. Seinen Ruhm brauchte sie also nicht, eher schon den Partner, mit dem sie 1969 während der Flitterwochen in diversen Hotels ihre Bed-ins für den Weltfrieden inszenieren konnte. „Give Peace a Chance“, der Song resultiert aus jener Zeit. Da gab es bereits drei Alben des Duos mit Avantgarde-Musik. Yoko Ono wirkte jedoch auch an ihrer Solokarriere weiter, war dreimal auf der Documenta in Kassel – 1972, 1987 und noch einmal 2014 – präsent und veröffentlichte als Witwe zahlreiche Alben. Ihre Kunst ist längst nicht mehr so subtil wie in den Sechzigerjahren, eine große Retrospektive im Kunsthaus Zürich vergangenes Jahr zeigte viel Himmel und Objekte wie den zerbrochenen Baselballschläger aus der Serie „Family Album (Blood Objects)“ von 1993. Doch ihr Wille zum Weltfrieden, den sie weiterhin propagiert, ist ungebrochen. 2013 hat Yoko Ono dafür sogar wieder Lennons blutige Brille hervorgeholt – aus Protest gegen die laschen Waffengesetze und die vielen Toten durch Schussverletzungen in den USA.

Ein Teil ihrer Performances wird inzwischen re-inszeniert, frühe Arbeiten wie „Mend Piece for John“ finden sich nicht allein im Kölner Museumsdepot, sondern auch im MoMA in New York, wo Yoko Ono bis heute lebt. Was man ihr an Lügen und Hass entgegengebracht habe, erklärt sie, habe sie ins Gegenteil verwandelt. Sie habe genug positive Energie für 200 Jahre.

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