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Thilo Sarrazin und der Schriftsteller Uwe Tellkamp bei der Präsentation vom Sarrazins neuem Buch "Die Vernunft und ihre Feinde. Irrtümer und Illusionen ideologischen Denkens".

© dpa

Thilo Sarrazin stellt sein Buch vor: Viel Neues gibt es nicht – nur Uwe Tellkamp ist auch dabei

Der Schriftsteller Uwe Tellkamp hält in Berlin eine Laudatio auf Thilo Sarrazin, der sein neues Buch vorstellt. Eine Veranstaltung mit wenig Überraschendem.

Thilo Sarrazin hat wieder ein Buch geschrieben. Es heißt, dreist den Titel eines Karl-Popper-Buches variierend, „Die Vernunft und ihre Feinde“. Es geht darin laut Untertitel um die „Irrtümer und Illusionen ideologischen Denkens“. Sarrazin findet es bedenklich, so steht es in seiner Einleitung, „dass seit einigen Jahren in der westlichen Welt offenbar jene Minderheiten wachsen, die Wünsche, Fantasien und Vorurteile an die Stelle von positivem Wissen stellen“.

Diese Tendenzen sieht er in den Medien genauso wie auf „der linken wie auf der rechten Seite des politischen Spektrums“, und dann nennt er einerseits den Angriff Russlands auf die Ukraine („der größte Angriff auf die menschliche Vernunft“), die Trump-Wähler, die glauben, dass Trump die Wahl wegen Fälschungen gestohlen wurde, und Querdenker und Corona-Leugner. Gut so.

Andererseits vergisst er nicht „die fanatischen Vertreter der Gender-Ideologie“, die Gefahren des politischen Islams, die linken Ideologen, die ignorieren, dass Intelligenz doch bitte schön biologisch determiniert sei und so gar nichts mit den sozialen Verhältnissen und Umständen zu tun habe.

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Einerseits also alles klar, offensichtlich, auf der Hand liegend – andererseits eben Sarrazins ewige Agenda, im Grunde wenig Neues unter der Sonne des „Deutschland schafft sich ab“-Autors, allen philosophischen Anstrichen zum Trotz.

Um diese Agenda aber noch besser, ja, womöglich effektiver der Öffentlichkeit zu präsentieren, haben sich Sarrazin und der Stuttgarter Langen Müller Verlag einfallen lassen, zur Buchvorstellung am Dienstagvormittag in einen Sitzungsraum der Bundespressekonferenz den bekannten Dresdner Schriftsteller Uwe Tellkamp einzuladen, auf dass dieser eine Einführung halten möge.

Das allerdings ist Tellkamp eine Nummer zu klein. Er möchte an diesem Vormittag gleich eine „Laudatio“ auf Sarrazin halten, auf einen „Unbequemen“: „Thilo Sarrazin zu loben, ist, folgt man manchen Journalisten, ein Vergehen, ein Überschreiten der roten Linie, ein Geistesverbrechen“, hebt er an, um nach einer kurzen Vorstellung zum Ausbruch des „Vielfaltsbergs“ im Jahr 2010 zu kommen, des „größten Vulkans auf dem Gebiet der deutschen demokratischen Meinungswirtschaft“.

Thilo Sarrazin (l) und der Schriftsteller Uwe Tellkamp nehmen an dem Pressetermin zur Präsentation vom neuen Buch von Sarrazin "Die Vernunft und ihre Feinde. Irrtümer und Illusionen ideologischen Denkens" teil.
Thilo Sarrazin (l) und der Schriftsteller Uwe Tellkamp nehmen an dem Pressetermin zur Präsentation vom neuen Buch von Sarrazin "Die Vernunft und ihre Feinde. Irrtümer und Illusionen ideologischen Denkens" teil.

© Monika Skolimowska/dpa

Tellkamp hält dann einen Vortrag, der passagenweise als Laudatio durchgehen könnte, vor allem aber eine satirische Abrechnung mit der Politik und den Akteur:innen der Ampel-Regierung ist.

Vom „Habecken“ ist darin die Rede – „Habecken hieß also nicht bloß Hamstern, sondern freiwillig Verzichten für den Frieden“ – und von den „Baerbockenden“, vom „Lauterbachen“ und vom „Scholzen“, aber auch vom „Merkeln“ und „Merzen“, von der „Talkshowkratie“. Um Inhalte, weiß Tellkamp, „geht es im Staatsschauspiel schon lange nicht mehr“.

Aber auch nicht bei ihm, er gefällt sich in seinen Formulierungen. „Sarrazin braucht nicht den Bundesverdiensthammer auf der Heldenbrust, schon gar nicht von diesem Bundespräsidenten.“

Als der Schriftsteller geendet hat, scheint Thilo Sarrazin verblüfft zu sein ob des so überaus polemischen Furors seines Laudators: „Wenn Sie meinen Vortrag hören, merken sie den Unterschied von Kunst und Handwerk. 

Jetzt kommt das Handwerk.“ Er stellt dann kurz Kapitel für Kapitel sein Buch vor, das bei allem Augenmerk auf rechte Ideologien in seinem Zentrum doch wieder die üblichen Feindbilder beschwört, vom sogenannten Gender-Wahn über Political Correctness und Wokeness bis hin zur vermeintlichen kulturellen und ethnischen Überfremdung.

Es mutet seltsam an, wenn ausgerechnet Thilo Sarrazin sich jenseits von allem ideologischen Denken wähnt, er sich auf Fakten, Wissen und Rationalität beruft und all das, Kopf an Kopf mit seinem Laudator, der gegenwärtigen deutschen Politik abspricht. Als Tellkamp die Frage gestellt bekommt, warum er eigentlich seinen Vortrag so voller Zorn gehalten habe, fragt dieser zurück: „Sind Sie ruhig? Woher kommt Ihre Ruhe? Ich muss für meine Familie überlegen, was ich für eine Brennmöglichkeit bekomme im Jahr 2022, aber die Welt wollen wir retten, das Klima. Und bekommen es nicht mal hin, dass die Bahn pünktlich fährt.“

Uwe Tellkamp ist wieder kurz davor zu explodieren, verkürzt dies, vermengt das. Heißer Zorn kommt bei ihm noch immer vor kühler Rationalität.

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