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Edward Snowdens neues Buch "Permanent Record".

© dpa

Whistleblower: US-Regierung wirbt unfreiwillig für Snowden

Wenn sie es schon nicht verhindern kann, will die US-Regierung wenigstens an Edward Snowdens Buch verdienen. Und macht damit unfreiwillig Werbung für ihn.

Von Caroline Fetscher

Es war klar, dass sie entstehen würden, die Memoiren von Edward Snowden, durch den der Begriff Whistleblower weltweit bekannt wurde. Eben ist sein autobiografischer Bericht „Permanent Record“ erschienen. Snowden gibt dazu Interviews an einem Ort irgendwo in Russland, wo der Amerikaner seit sechs Jahren im Exil lebt. Ungern, wie er sagt. Nach Amerika kann und will der frühere Mitarbeiter des US-Nachrichtendienstes, der das Ausmaß von dessen Datensammlung publik machte, nicht zurück. Nicht, solange ein Haftbefehl gegen ihn existiert.

Auf Asyl in der Europäischen Union hoffte Snowden vergeblich, doch Frankreichs Präsident Macron, heißt es jetzt, könnte sich seiner erbarmen. Denn 2020 ist die russische Obergrenze von Snowdens Asyldauer erreicht.

Der arbeitslose Mann kann die Tantiemen für sein Buch gut gebrauchen. Und genau die will die US-Regierung nun für sich einstreichen. Snowden habe mit der Enthüllung eine Verschwiegenheitsklausel gebrochen, damit habe er keinen Anspruch auf das Geld. Eine bessere Werbung hätte der Autor nicht bestellen können. So entlohnt Washington den einstigen Angestellten indirekt doch wieder – und wider Willen.

Snowdens Buch indes weist weit über die USA hinaus. Es warnt vor Regierungen, die Fakten verheimlichen, während sie mit digitalen Schleppnetzen tonnenweise Bürgerdaten abfischen. Steinreich würden die Internetgiganten Facebook, Google oder Amazon damit, dass sie „unser Leben als Produkt verkaufen“ und „Hilfssheriffs von Regierungen“ seien. Mit jedem Tippen auf Smartphones, bei jedem Surfen im Internet werde man Gratislieferant privater Daten.

Snowden wirkt seriöser als der zwielichtige Assange

Aus Snowden, dem Techniker der Spionage, war ein Spion geworden, der die Spionage selbst ausspioniert hat; ein Großaufklärer aus Sicht der breiten Öffentlichkeit, ein Gefährder der Staatssicherheit aus Sicht der USA und Teilen ihrer Bevölkerung.

Verrat oder Verdienst, die Frage stellte sich noch bei jedem großen Aufklärer und Aufdecker, und je größer die Institution, der gegenüber sich einer als „illoyal“ erweist, desto heftiger der Skandal. Seriöser und klarer wirkt Snowden als etwa der zwielichtige Julian Assange.

Snowden ist eher ein Nachfolger eines der großartigsten Whistleblower der Geschichte, Edmund Dene Morel (1873 –1924). Französisch-britischer Herkunft war Morel Angestellter der britischen Reederei Elder Dempster. Mit Anfang 20 sollte er den Schiffsverkehr der Kongo-Route protokollieren.

Frappiert von „Unmengen Patronen und tausenden Gewehren“, die den Hafen Antwerpen nach König Leopolds II. belgischem „Freistaat Kongo“ verließen, forschte Morel nach, erfuhr vor allem durch kritische Missionare entsetzliche Details und begann eine Kampagne gegen die „Kongo-Gräuel“ der Gewalt und Zwangsarbeit im Kautschukhandel. Ein Reedereidirektor hatte ihm daraufhin im Auftrag des Königs gedroht.

Doch auch Morel und seine Mitstreiter ließen sich nicht einschüchtern. Selbst wenn sie mitunter übertreiben – was Morel keinesfalls tat: Staatliche Panik vor Whistleblowern sollte bis heute jede Öffentlichkeit hellhörig machen.

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