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Ton Koopman

© Imago

Ton Koopman: Aus vollem Herzen

Bachs h-Moll-Messe ist jetzt offiziell Weldokumentenerbe der Unesco. Und der leidenschaftliche Alte.Musik-Spezialist Ton Koopman dirigiert eine Aufführung des Werks mit den Berliner Philharmonikern.

Zum Weltdokumentenerbe ist die h-Moll-Messe von Johann Sebastian Bach seit 2015 bestimmt. Die Übergabe der Unesco-Urkunde an die Staatsbibliothek zu Berlin, die das Autograph in ihrer überragenden Sammlung von Bach-Manuskripten besitzt, findet nun den willkommenen Rahmen in einer Aufführung des Werkes durch die Berliner Philharmoniker. Musikwissenschaft grüßt Musikwissenschaft in der Auszeichnung wie in der klingenden Realisation des Werkes.

Denn vor dem Orchester und der Orgel, die er ausschließlich im Continuo- Part des Benedictus selbst traktiert, steht Ton Koopman. Der Name des Niederländers verbindet sich mit historischer Aufführungspraxis. Alle Bach-Kantaten hat er mit seinem Amsterdam Baroque Orchestra & Choir eingespielt. Sein Weg folgt den Spuren Alter Musik, da er dabei als Organist, Cembalist, Dirigent und Musikwissenschaftler aktiv ist. In der Philharmonie wird er am 4. Februar 2018 ein Orgelkonzert geben. Seine musikalische Vorstellungskraft kommt aus tiefer Kenntnis der Partituren.

Ausholende Gestik und rüstige Agilität

Kann er seine Vorstellungen einem modernen Klangkörper als Dirigent einhauchen? Koopmans Antrieb ist Herzenssache. Mit ausholender Gestik und rüstiger Agilität spornt er die Interpretation an. Quasi unentwegt. Es zeigt sich, dass dieser Impetus sich überträgt, wo es um wechselnde Affekte geht. Von der Arie „Quoniam tu solus sanctus“ attacca in den Vivace-Chor „Cum sancto spiritu“, vom mystischen „Crucifixus“ in die Fröhlichkeit des „Et resurrexit“. Den Satz „Et expecto resurrectionem mortuorum“ hat Harvard-Professor Christoph Wolff in seiner Einführung als Darstellung diesseitiger und jenseitiger Welt benannt. Auch hier siegt die Leidenschaft Koopmans. „Wir Alte- Musik-Spezialisten sind nur Liebhaber-Dirigenten“, sagt er in einem Interview. Dem ist wenig hinzuzufügen, weil das Dirigieren Koopmans mit insistierender Betonung der guten Taktteile zu weniger Differenzierung führt. Die Klangcharaktere liefern ihm hoch besetzte Instrumentalsolisten, während der Rias Kammerchor in Koloraturen blüht bis in die Bässe.

Dazu kommen gute Vokalsoli: duettierend Yetzabel Arias Fernandez und Wiebke Lehmkuhl, die Altistin auch mit schöner Stimme und etwas pathetisch in den Arien, der feine Tenor Tilman Lichdi und so kundig wie engagiert der Bassist Klaus Mertens. Bachs große letzte Komposition der Vokalpolyphonie auf den vollständigen Messetext des Ordinariums hat Vermächtnischarakter, konfessionsüberschreitend. So wird sie an diesem Abend gehört und gefeiert.

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