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Kultur: Thomas Schulte im Gespräch: Wem es in der Küche zu heiß wird ...

Thomas Schulte (45) eröffnete seine Galerie vor genau zehn Jahren mit einer Installation von Rebecca Horn, die mehr als 5000 Besucher sahen. Mit Ausstellungen von Alighiero E.

Thomas Schulte (45) eröffnete seine Galerie vor genau zehn Jahren mit einer Installation von Rebecca Horn, die mehr als 5000 Besucher sahen. Mit Ausstellungen von Alighiero E. Boetti, Alfredo Jaar oder Gordon Matta-Clark festigte er sein internationales Programm und begleitete durchaus kritisch die kulturelle Entwicklung der Stadt. und reagierte mit Präsentationen der konzeptuellen amerikanischen Kunst parallel zu oberflächlichen Übersichtsschauen oder Christos konzeptuellen Anfängen während der Reichstagsverhüllung durchaus kritisch auf Aktivitäten in der Stadt. Kritik übte Schulte auch an der Art Cologne und gehörte 1996 gehörte er zu den Gründungsmitgliedern der Berliner Kunstmesse "art forum". Neben Fotografie und amerikanischer Kunst der Siebziger fesselt ihn nach wie vor die Entwicklung in der Malerei. Morgen eröffnet er in seinen Räumen in der Mommsenstraße 56 die Jubiläumsausstellung "Walldrawing" mit Werken von Sol LeWitt. die eine Bogen zum Eröffnungsjahr 1991 spannt.

Was gab für Sie vor zehn Jahren den Ausschlag, Ihre Galerie in Berlin zu öffnen?

Der Grund war eher ein romantischer. Ich hatte am New Yorker Museum of Modern Arts an der Ausstellung "Berlin Arts" mitgearbeitet und dabei viel über die Stadt erfahren. Als die Mauer fiel, spürte ich, dass man hier neue Standards setzen müsse: mehr internationale Kunst und ein freier Markt, der sich durch Qualität entwickelt.

Damals firmierten Sie noch unter "Galerie Franck + Schulte", seit Beginn diesen Jahres unter "Galerie Thomas Schulte". Warum haben Sie sich von Ihrem Partner, dem Genfer Kunsthändler Eric Franck, getrennt?

Als Eric mir damals in New York das Angebot für eine gemeinsame Galerie machte, hatten wir schon festgelegt, dass ich nach einer gewissen Zeit die Majorität in der Galerie übernehmen würde. Da er jetzt in London ein anderes Geschäft aufgebaut hat, ergab sich die Trennung von selbst. Ohnehin habe ich das Tagesgeschäft in Berlin seit langem allein besorgt.

Trägt sich die Galerie auch ohne einen starken Partner finanziell?

Ja, wobei Berlin noch immer nicht mit London oder gar New York zu vergleichen ist. Unser Geschäft ist weit über die Grenzen hinaus ausgerichtet, wie mittlerweile bei vielen anderen Berliner Galerien auch. Von den mindestens 25 Galerien in Berlin, die heute auf internationalem Niveau arbeiten, finanziert keine mehr als 25 Prozent ihres Einkommens über Sammler dieser Stadt. Das war in Köln früher nicht anders. Die Verkäufe gingen von dort aus erst einmal in die reichen Regionen ringsum, auf die wir uns hier nicht verlassen können.

Die meisten dieser international arbeitenden Galerien in der Stadt haben ihren Sitz allerdings in Mitte. Was gibt ihnen die Gelassenheit, in Charlottenburg zu bleiben?

Neulich hat jemand zu mir gesagt, Charlottenburg ist so out, dass es schon wieder in ist. (lacht) Aber im Ernst: Der Bezirk Charlottenburg trägt viel dazu bei, dass es so ist und tut zu wenig für die hiesigen Galerien. Unsere kulturelle Leistung vor Ort wird dort nicht honoriert. Im Gegenteil; so sollte unsere Galerie 1999 weit über 300 000 Mark als Fehlnutzungsabgabe zahlen. Wir konnten uns letztlich auf einen Vergleich einigen, nachdem in einer Briefaktion Museumsdirektoren und Kritiker auf unseren internationalen Rang und den von uns wahrgenommenen Bildungsauftrag hingewiesen hatten. Im Rheinland würde so etwas nicht passieren.

Schon früher forderten Sie finanzielle Unterstützung von Senatsseite für die Galerien.

Natürlich kann man nicht jede x-beliebige kommerzielle Galerie bezuschussen, aber zumindest eine Förderung für Messeteilnahmen wäre sinnvoll. Meine Galerie gibt dafür jährlich etwa 200 000 Mark aus und sorgt damit auf Messen etwa in Basel oder Chicago für eine positive Außenwirkung Berlins - und das auf eigene Kosten. In anderen Ländern ist eine solche Förderung durchaus üblich, und das verzerrt den Wettbewerb.

Vor sechs Jahren waren Sie zusammen mit Volker Diehl einziges Berliner Gründungsmitglied des "art forums". Nach dieser langen Anlaufzeit haben nun auch andere Berliner Galeristen die Kunstmesse zu ihrer Sache erklärt. Wie wirkt sich das auf die Organisation der Messe aus?

Inzwischen haben wir einen Beirat etabliert mit acht Berliner Galeristen sowie Christian Nagel aus Köln. Hieraus soll sich eine direkte Beteiligung an der Veranstalungsgesellschaft entwickeln. Ich selbst habe mich aus der ersten Reihe zurückzunehmen, weil das Engagement mit enormen Belastungen für die Galerie verbunden war. Trotzdem hänge ich zu sehr an dem Projekt, als dass ich mich ganz zurückzuziehen möchte. Nach nur fünf Jahren ist das "art forum" zu einer unverzichtbaren Informationsmesse mit hohem Standard und internationalen Besuchern geworden. Was junge Kunst angeht, stehen wir viel besser da als Köln. In der kurzen Zeit wurde ein eher exzentrisches Profil entwickelt, denn die Messe wirkt noch immer mehr nach außen, als dass sie in der Stadt selbst wahrgenommen wird.

Messen, Sammlerbesuche und internationale Ausstellungen der Künstler, mit denen man arbeitet: Ist ein erfolgreicher Galerist heute Handlungsreisender in Sachen Kunst?

Überspitzt gesagt, weiß ein New Yorker Galerist nicht, was außerhalb passiert, weil alle zu ihm kommen, während der Europäer nicht weiß, was in seiner Galerie vorgeht, weil er immer unterwegs ist. Tatsächlich gehören persönliche Kontakte maßgeblich zu unserem Geschäft. So wichtig Messen sind, irgendwie sieht dort doch jede Galerie gleich aus. Die eigentliche Frage lautet: Welche Rolle spielt überhaupt noch die Galerieausstellung, ist sie nicht überholt? Dennoch sichert sie die Grundversorgung: Ohne die Galerie, mit der ein Künstler aufwächst, wären auch Künstler wie Bruce Nauman, Sol LeWitt oder Robert Ryman nicht international bekannt geworden. Ich glaube nicht, dass sich die schnellen Vermarktungstechniken, die heute mit Hilfe der Auktionen zunehmend eingesetzt werden, langfristig der Kunst guttun, weil sie Künstler zu früh belasten und verbrennen.

Vor gar nicht langer Zeit haben Sie gesagt, dass in keiner anderen Stadt wie Berlin so viele schlechte Künstler so gut leben würden.

Das stimmte damals auch noch: Berlin war in einer komplett übersubventionierten, provinziellen Situation und fern vom internationalen Geschehen. Gefördert wurde, was sich unter Gesichtspunkten des Marktes nicht durchsetzte. Das hat sich geändert. Deswegen ist es auch egal, ob sich hier so enorm viele Galerien ansiedeln. Das Überangebot wird ohnehin durch die Nachfrage nivelliert. Genau wie bei den Künstlern werden von fünfzig heute wahnsinnig erfolgreichen am Ende nur drei übrig bleiben - und das unabhängig von Subventionen. Durchsetzen wird sich nur qualitativ hochwertige, substanzielle Kunst. Alles andere korrigiert der Markt. Das schnelle Ende der Erfolgswelle der Berliner Neuen Wilden ist da ein gutes Beispiel. Eine wichtige Rolle spielen für Künstlerkarrieren die Institutionen ...

an denen Sie vor wenigen Jahren in Berlin ebenfalls kein gutes Haar ließen.

Auch das hat sich gebessert. Die Kunstszene besteht aus vielen Elementen, die sich gegenseitig bedingen. Jedes Element, das sich verbessert, beeinflusst die Gesamtstruktur positiv. Gibt es mehr gute Galerien, verbessert sich auch die Informationsdichte und mehr Künstler ziehen in die Stadt. Komplizierter ist es mit der Hochschule der Künste durch ihren schwerfälligen Apparat. Aber dort lehren jetzt internationale Künstler wie Rebecca Horn, Katharina Sieverding oder Tony Cragg und stärken die Klassen. Berlin ist für Kunststudenten inzwischen interessanter als Düsseldorf, obwohl die dortige Akademie immer noch die bessere Schule ist. Die Reibungsmöglichkeiten sind hier einfach besser. Einen positiven Einfluss hat auch der Wechsel in der Führung der Nationalgalerie, der mit stärkeren Kompetenzen für einzelne Kuratoren verbunden ist. Ausstellungen von Rodney Graham oder jetzt Luc Tuymans waren vor wenigen Jahren dort noch nicht denkbar. Nach einer Zeit mit unklaren Strukturen gibt es jetzt auch im Hamburger Bahnhof für uns wieder Ansprechpartner hinter den Kulissen. Und nach Jahren der Orientierungslosigkeit haben sich auch die Kunst-Werke zu einer festen Größe entwickelt. Wenn das Programm kontinuierlich auf dem Niveau des letzten Jahres weitergeht, dann ersetzen sie die fehlende Kunsthalle. Sicher kann sich noch vieles verbessern, aber die Aussichten sind günstig. Vielleicht erwarten wir auch zu vieles zu schnell, denn es wird noch Jahre dauern, bis sich alle Versäumnisse und Verfilzungen aufgelöst haben.

Na, jetzt klingen Sie aber milde.

Tatsächlich muss man immer noch einigen Leuten sagen, wo es lang geht. Aber in unserem Bereich ist diese alte Mischpoke nicht mehr so aktiv.

Wie schätzen Sie generell die Marktsituation für die nächsten Jahre ein?

Da wird sich Einiges korrigieren, wobei kein kompletter Einbruch bevorsteht. Es wird eine Beruhigung stattfinden, die auch Vorteile hat: Andere Künstler kommen ins Geschäft. Diese Schwankungen sind dadurch bedingt, dass der Kunstmarkt von der Konjunktur abhängig ist. Allerdings hatte die amerikanische Wirtschaftsentwicklung in den letzten zehn Jahren vor allem auf den Londoner Handel Einfluss. Wir anderen Europäer hängen bei weitem nicht so vom US-Markt ab wie die Londoner Händler, so dass uns die amerikanische Rezession vielleicht nicht so stark treffen wird. Auf dem Kontinent läuft inzwischen viel über den Binnenmarkt; die europäische Gemeinschaft ist längst stärker als man denkt. Und Deutschland ist nach wie vor ein sehr kaufkräftiges Land und einer der wichtigsten Märkte für zeitgenössische Kunst. Verallgemeinern kann man sowieso nichts: Ich selbst hatte mit meiner Galerie eines meiner besten Jahre 1994, dem schlimmsten Jahr der Rezession. Mit diesen Schwankungen muss man eben leben. Wir müssen langfristig planen. Oder anders gesagt: Wem es in der Küche zu heiß wird, der muss eben raus gehen.

Was gab für Sie vor zehn Jahren den Ausschlag

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