zum Hauptinhalt

Kultur: Thomas Hirschhorn

Im Kaminzimmer ist die Hölle los. Riesige Holzscheite verstopfen den Ofen, daneben liegen diverse Büromöbel zum Verfeuern bereit.

Im Kaminzimmer ist die Hölle los. Riesige Holzscheite verstopfen den Ofen, daneben liegen diverse Büromöbel zum Verfeuern bereit. Kein Sofa ist mehr an seinem Platz. Bildschirme und Mobiltelefone kleben an der Wand, mit überkreuzten Klebestreifen fixiert, als wollte hier ein Globalisierungsgegner die moderne Kommunikationstechnologie schlechthin durchstreichen. Bei Arndt & Partner scheint Thomas Hirschhorn ein installatives Remake des Films „Die fetten Jahre sind vorbei“ inszenieren zu wollen (Zimmerstraße 90-91, bis 7. Juli, Dienstag bis Sonnabend 11-18 Uhr).

Aber der Schweizer Künstler, Jahrgang 1957, bedient sich bloß der Gesten der Anarchie, weil deren „Kopflosigkeit“, wie er sagt, „produktiv sein kann“. Oberflächliche Ästhetik hasst er, arbeitet deshalb mit Billigmaterialien und diversem Schrott. Mit Anmutungen von Behaglichkeit will er sein Publikum „einschließen“. Niemand bleibt draußen, teilhaben soll jeder. Und: „Für den Markt arbeiten – Gegen den Markt arbeiten“, beides berge Gefahr, wie Hirschhorn in einem Flugblatt schreibt, das seiner Installation (300 000 Euro) beiliegt. Eng beschrieben, gespickt mit Pfeilen und Diagrammen, wirkt das Positionspapier ebenso labyrinthisch wie das Environment in der Galerie: eine Collage im Raum, mit der Hirschhorn seine Reflexionen über Politik, Gesellschaft und Kultur illustriert. Man muss sich allerdings Zeit zum Einleben nehmen – und zum Hineindenken.

Willkommen im kontrollierten Chaos: Vier aus Spanplatten und Marmorimitat gebastelte Kamine symbolisieren das „ewige Feuer“ von Liebe, Politik, Ästhetik und Philosophie. Riesenhafte Bücher stapeln sich auf den Kaminsimsen, ein Appell an die Kraft des Denkens. Doch wir stoßen uns schnell den Kopf am grausamen Weltzustand, der sich uns auf Fotos entsetzlich Verstümmelter in den Weg stellt. Wer Viagra für sein abgeschlafftes Mitleidsempfinden benötigt, dem werden Mammut-Tabletten der Marke „You“ gereicht. Risiken, Nebenwirkungen und Kopfzerbrechen sind natürlich kalkuliert.

Jens Hinrichsen

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false