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© Manfred Thomas Tsp/MANFRED THOMAS TSP

Tag 10 bei der Berlinale: Nicht anstehen für kein Ticket

Der Kartenvorverkauf war undurchsichtig wie nie bei der Berlinale. Dabei gibt es nur noch eine Onlineschlange für alle. Und ein Team, das Tickets hin- und herschichtet. Nur wann und wohin, weiß keiner.

Eine Kolumne von Robert Ide

Meine Lottozahlen lauten 3, 7, 16, 17, 19, 49. Ich spiele gar nicht, aber jedes Mal wenn in den Radio-Nachrichten die Gewinnzahlen angesagt werden, höre ich hin, ob ich womöglich gewonnen hätte. Ein doppeltes: Was wäre, wenn?

Warum gibt es keine Abendkasse mehr?

Der Ticketverkauf bei der Berlinale war schon immer ein Glücksspiel. Früher konnte man sich zu früher Morgenstunde in der Warteschlange noch Hoffnungen machen auf eine bestimmte Spätvorstellung drei Tage später – und wurden diese enttäuscht, blieb noch die Abendkasse des Kinos, die man am Vorführungstag am besten schon nachmittags aufsuchte. Dazu eine eigene Tauschbörse mit Freundinnen und Freunden – am Ende kam man in jeden gewünschten Film zu jeder gewünschten Zeit. Heute ist der persönliche Einsatz in der Lotterie bedeutend geringer; es gibt nur eine Onlineschlange für alle. Dafür gewinnt man oft nichts.

„Für mich als Berlinale-Besucher seit 40 Jahren ist das kein Publikumsfestival mehr“, schreibt mir Rainer Jahn. „Warum gibt es keine Abendkasse mehr?“, fragt Filmfan Matthias Becker. „Selten war der Ticketverkauf so absurd wie diesmal“, meint Experte Bert Schulz.

„Wir wollen so flexibel wie möglich sein.

Berlinale-Sprecherin Frauke Greiner

In der Tat: Beim täglichen Online-Ticketing ab 10 Uhr morgens sind die meisten Vorstellungen innerhalb weniger Sekunden ausgebucht, bis zur Vorführung des Films drei Tage später werden aber immer wieder Tickets nachgeschoben, manchmal einen Tag vorher, manchmal eine Stunde vorher – wann genau, weiß kein Mensch.

Weiß es wenigstens die Berlinale? „Wir wollen so flexibel wie möglich sein“, antwortet Festivalsprecherin Frauke Greiner. Man habe „im Ticket-Office ein großes Team, das die Auslastung der Kinos rund um die Uhr beobachtet“. Sobald „Kapazitäten einer Kontingentgruppe“ erschöpft seien, schaue man, „ob es in anderen Kontingentgruppen noch Kapazitäten gibt, die man umschichten könnte“. Nun würde man gerne wissen, wann genau Tickets für einen bestimmten Film hin- und hergeschichtet werden. Gibt es gar geheime Umschichtungs-Schichtpläne?

Kinofans wissen in diesem Jahr nur eines sicher: Für lange ausverkaufte Vorstellungen gibt es kurz vorher manchmal noch Karten, manchmal nicht. Oder wie es die Berlinale ausdrückt: „Dieses Verfahren ersetzt das alte Modell der Abendkassen und man muss noch nicht mal anstehen.“ Nicht mal anstehen für kein Ticket – großes Kino!

Hiermit lüften wir also das Geheimnis des diesjährigen Berlinale-Ticketverkaufs. Es lautet: 3, 7, 16, 17, 19, 49. Ein doppeltes: Was war das denn?

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