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Shirin David Konzert

© Anton Schmidt-Wünkhaus und Dung Nguyen

Shirin David Konzert in Berlin: Deutschlands Rap-Barbie beweist, dass sie wirklich eine „Bad Bitch“ ist

Vier lange Jahre mussten die Fans von Shirin David auf ihre erste Tour warten. Jetzt performt die Rapperin das erste Mal live und begeistert tausende Fans in der Mercedes-Benz-Arena in Berlin.

Lackstiefel, hautenger Ganzkörperanzug und eine riesige Portion Attitude: „Bad Girl, Selfie-rich, mit über fünf Million’n Fans“ rappt Shirin David und konstatiert ihre Daseinsberechtigung auf der riesigen Bühne. Vier Jahre nach ihrer Debütsingle, zwei Erfolgsalben, fünf Nummer-1-Hits und zahlreiche Shitstorms später sind die Erwartungen hoch.

Ohrwürmer produzieren und für Schlagzeilen sorgen, das kann die Rapperin. Aber funktioniert das auch live? „Oh, yes“, zeigt die Hamburgerin und richtet sich an ihre Fans: „Es gibt immer Leute, die schlecht reden, aber ganz ehrlich, scheiß’ auf die!“

Vor ihrer Tour hatte Shirin David nur ein einziges Mal live gerappt – bei einem Gastauftritt von Haftbefehls Set auf dem Splash! Festival im Sommer 2023.

© Anton Schmidt-Wünkhaus und Dung Nguyen

Shirin Davids erste Live-Tour

Obwohl Shirin David, die bürgerlich Barbara Schirin Davidavicus heißt, bis vor kurzem nahezu keine Bühnenerfahrung hatte, eröffnet sie ihre erste Tournee im großen Stil. Zehn Städte, zehn Konzerte und das in den größten Venues Deutschlands – bloß keine falsche Bescheidenheit.

Auch wenn David, die ansonsten nach dem Motto „mehr ist mehr“ lebt, für den Anfang kleinere Locations präferiert hätte, wie sie gegenüber der „Leipziger Volkszeitung“ in einem Interview sagt: „Ich hatte im Vorfeld darum gebeten, ob ich denn nicht in kleinere Hallen gehen könnte, einfach nur, um die Erfahrung natürlicher und organischer zu halten“. Aber gut, daraus wurde wohl nichts.

„Bad Bitches“ in Pink. Insgesamt wechselte Rapperin Shirin David (Bildmitte, Kleid tragend) ihr Outfit fünfmal während des Konzerts.

© Anton Schmidt-Wünkhaus und Dung Nguyen

Und zumindest die „Shirizzles“, wie die 28-jährige ihre Fans liebevoll nennt, waren sichtlich froh über diese Entscheidung und kauften innerhalb weniger Tage mehr als hunderttausend Tickets. Diese sechsstellige Schwelle hatte bisher keine deutsche Rapperin überschritten. Ein neuer Rekord, und das ohne jemals ein eigenes Konzert performt zu haben – not bad.

Die First Lady der Schlagermusik Helene Fischer konnte Shirin damit zwar nicht schlagen, eine gemeinsame Performance hat sie sich durch ihren Erfolg trotzdem eingeheimst. Gestern verkündeten die beiden Künstlerinnen nämlich, dass sie zum zehnten Geburtstag von „Atemlos“ gemeinsam eine Neuauflage veröffentlichen würden. „Wild“ kommentieren Shirins Fans auch Instagram. Wild war auch die Show.

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Bei dem „Heimspiel“ in Berlin hat Shirin David nicht nur fehlerfrei performt und sich beim Halbplayback souverän geschlagen, sondern auch bewiesen, dass sie hat, woraus Stars gemacht sind: Bühnenpräsenz. In all ihrer forcierten Künstlichkeit, die ihr immer wieder vorgeworfen wird, ist sie absolut authentisch.

Die Kritik an ihrem Umgang mit ihrer vermeintlichen Vorbildfunktion verarbeitet die Künstlerin in dem Song „Vorbild“, wo sie definiert, was für sie eine „Bad Bitch“, wie sie sich während des Konzerts immer wieder selbst betitelt, ist: „Sowas wie ’ne Existenz, die selbstbestimmt ist“. 

Dreimal wurden die elektronischen Beats live von Instrumenten unterstützt. Zu Gast war eine Gitarristin und eine Klavier- und Harfenspielerin.

© Anton Schmidt-Wünkhaus und Dung Nguyen

Schillernde Extravaganz

Dass Shirin den Support zwischen Frauen, den sie in dem Hit „Ich darf das“ predigt, auch lebt, beweist sie mit einer „Ladys-only-Bühne“. Für den Gastauftritt des Rap-Kollgegen AK AusserKontrolle hat die selbsternannte Rap-Barbie wohl ein Auge zugedrückt. Neben dem männlichen Geschlecht waren auch konventionelle Musikinstrumente an diesem Abend rar.

Auf drei Songs verteilt kamen eine E-Gitarre, ein Konzertflügel und eine Harfe zur Erscheinung, doch Hip-Hop-Kenner*innen wissen ohnehin: was beim Rap zählt ist der Beat; und der hat geballert.

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Aber am meisten punktete die litauisch-iranische Musikerin, die ihre Herkunft in einigen ihrer Songs betont, mit der Performance. Hier entschädigten die Akkuratesse und Energie der zahlreichen Tänzerinnen die gut abgezirkelten, aber doch nur angedeuteten und teilweise etwas steifen Bewegungen der Musikerin.

In Textpausen, wo sich Shirin nicht aufs Rappen konzentrieren musste, zeigte aber auch sie, dass sie, wie man schon aus ihren Musikvideos weiß, ordentlich „twerken“ kann – auch wenn bis zu einer Tanzperformance wie der von Shirins Idol Beyoncé noch Luft nach oben ist; es muss ja auch noch Ziele für die nächste Tour geben, oder?

Bei ihrem Konzert in der Mercedes-Benz-Arena betrieb Shirin David ordentlich Crowdwork und interagierte zwischen den Songs immer wieder mit ihren Fans.

© Anton Schmidt-Wünkhaus und Dung Nguyen

Müsste man einen weiteren Schwachpunkt des Abends nennen, sind das wohl die Balladen á la „Fliegst du mit“, die zwar auf schöne Art Shirins verletzliche Seite zeigen, in der sonst sehr energiegeladenen Show aber etwas untergehen.

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Shirin David während des Konzerts zu ihren Fans

Passend zu ihrer funkelnden Kunstfigur war Shirins Show alles andere als dezent: ein Jetski auf der Bühne, eine durchsichtige Halbkugel, in der die Künstlerin über der Bühne schwebt, jede Menge Special Effects und ein spektakuläres, von einer riesigen Videoleinwand getragenes Bühnenbild.

Für diese hohen Ansprüche musste die Rapperin scheinbar so viel Geld in die Hand nehmen, dass sie behauptete, sie werde an dieser Tour keinen Cent verdienen. Ob es deswegen auch so viel Eigenwerbung für ihren neuen Podcast, „DearTi Talk“, und den eigenen Eistee gab?

Die Rapperin nahm den Jetski aus dem Musikvideo zu dem Song „Hoe’s up, G’s down“ mit auf Tour. Der legendäre Musikvideo-Dreh, inklusive Poolparty, soll damals einen Schaden von vierzigtausend Euro verursacht haben.

© Anton Schmidt-Wünkhaus und Dung Nguyen

Dass die eigens gekrönte Deutschrap-Queen eine echte Geschäftsfrau ist, ist nichts Neues, weshalb sich die Fans auch nicht an dem Marketing-Vibe, der zeitweise über dem Konzert hing, störten. Erst recht nicht, weil Shirin David aufs Neue bewies, dass sie nicht nur musikalisch, sondern auch humorvoll ist und sich gerne selbst auf die Schippe und so ihren Hatern den Wind aus den Segeln nimmt.

In einer von vielen Umzieh-Pausen läuft ein fiktives TV-Interview zwischen der Rapperin und einer ebenfalls von ihr gespielten konservativen Moderatorin. „Was ist an Ihnen noch echt, Frau David?“, fragt die. Shirin antwortet: „Mein Kontostand“ und die Halle jubelt. In ihren Texten steht die ehemalige YouTuberin zu den Schönheits-OPs, zum teuren Lifestyle und dazu, dass sie viele ihrer Songs, wie es in der Rap-Szene eigentlich verpönt ist, nicht selbst schreibt – whatever, „nur ich bring die Fakten, auf den’n die Texte basieren“, rappt sie.

Shirin David freut sich, dass viele Fans mit extravaganten Outfits zum Konzert kommen: „Danke, dass ihr euch für mich schick gemacht habt!“

© dung nguyen

Für einen weiteren Wow-Effekt sorgen, wie könnte man es von Shirin David anders erwarten, eine Menge extravaganter Outfits. Auch ihre Fans lobt sie für ihren Look, bevor sie einen jungen Mann auffordert „Ey, lächel doch mal!“ und so in den gleichnamigen Song einsteigt, in dem sie Männer mit ihren eigenen Mitteln sexualisiert: „Der soll sich nicht anstellen, weil ich übergriffig touchy bin. Guck nicht so böse, mein Süßer, ich möchte dich lachen sehen.“

Mit ihrer Performance von „Du liebst mich nicht“ setzt Shirin ein Statement gegen häusliche Gewalt, indem sie die ursprüngliche Zeile mit einem kleinen, aber entschiedenen „Nicht“ verändert: „Hast mich geschlagen, angeschrien. Hast mich erniedrigt, doch ich hab dir nicht verzieh’n.“

Niemand, kein Mensch auf dieser Welt erhebt die Hand gegen euch!

Shirin David erzählt auf der Bühne von einer vergangenen toxischen Beziehung
Mit einem Auftritt in der Berliner Mercedes-Benz-Arena geht für die Musikerin ein Traum in Erfüllung: „Ich habe hier schon so viele Konzerte von großen Stars gesehen. Und jetzt stehe ich selbst auf dieser Bühne, das ist crazy“.

© dung nguyen

Bei dem finalen Applaus merkt man Shirin David ihre Rührung deutlich an. Eine Künstlerin, die sich immer wider Kontroversen stellen muss, hat bewiesen, „egal, was ihr an mir nicht leiden könnt, Live-Shows kann ich“. Abschließendes Fazit: „Lieben wir“.

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