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Meritt

© Doris Spiekermann-Klaas

Pornofilme: Sexspiele mit Gütesiegel

"PorYes" – ein Preis für gute Pornofilme. Die Zeit sei reif dafür, meint Laura Méritt und kämpft für weibliche Lust.

Gegensätzliches zu vereinen, das ist ihre Sache. Zu den roten Gesundheitsschuhen aus Wildleder trägt Laura Méritt ein T-Shirt mit stilisierter Vagina. Sie ist Doktorin der Lachforschung mit einem Lehrauftrag an der Uni, aber auch Expertin in Sachen Sex. In ihrer Wohnung sind allerlei Exponate der Lustindustrie zu bestaunen. Nun will sie Feminismus und Pornografie versöhnen. Feminismus und Pornos? Passt doch nicht zusammen, heißt es meistens. Oh doch, findet Laura Méritt, und wie. Gemeinsam mit dem feministischen „Netzwerk Freudenfluss“ hat sie einen feministischen Pornofilmpreis in Deutschland ausgelobt. Die erste Auster wird im Oktober verliehen und heißt „PorYes“, was sich auf die „PorNO“-Kampagne der Zeitschrift „Emma“ bezieht.

„Die Zeit ist reif“, sagt Laura Méritt: „Wir sind an einer Schwelle, die muss jetzt überschritten werden.“ Sie muss es wissen. Zwar sieht die 49-Jährige mit ihren kurzen grauen Haaren und dem Mund, aus dem alle zwei Minuten ein lautes Lachen platzt, tatsächlich mehr nach Lachforscherin aus, als nach einer, vor deren Arbeitszimmer ein fünfzig Zentimeter langer Doppeldildo als Türstopper liegt. Aber schon seit den achtziger Jahren engagiert sie sich in der Hurenbewegung, gibt Workshops zur weiblichen Ejakulation und betreibt einen lesbischen Eskortservice. Regelmäßig lädt sie zum Salonabend, wo Pornos geschaut und besprochen werden. Und: Sie hat vor über 30 Jahren Dinge nach Deutschland gebracht, die sie „Spielzeug“ nennt und wie Folterwerkzeuge aussehen: Dildos in allen Materialien, Farben und Größen, Mösenkissen und Pornofilme, die in dem kleinen Zimmer ihrer Kreuzberger Wohnung Regale füllen. Mit der Berufsbezeichnung „Sexpertin“ hat sie kein Problem: „Das drückt Fachkompetenz aus.“ Wenn sie, bepackt mit einem Spielzeugkoffer, zu einer „Fuckerware“-Party loszieht, weiß sie zu den Sexartikeln auch deren Kulturgeschichte zu erzählen.

Pornos verkaufen, weibliches Selbstbewusstsein und Fachwissen zur Sexualität vermitteln – Laura Méritt will das nicht als Widerspruch sehen. Als „sexpositive“ Feministin kämpft sie für Gleichberechtigung, ohne wie Alice Schwarzer Pornografie rundweg als Erniedrigungspraxis abzulehnen. Was die Grande Dame der Frauenbewegung mit erkämpft hat, hält Méritt für elementar. Dass heute – mit Charlotte Roche, den Alphamädchen und einer neuen Debatte zum Thema Gleichberechtigung – die Zeit reif ist für feministische Pornos, sei jenem Feminismus zu verdanken, der im Geschäft mit der Lust nur das männliche Befriedigungs- und Machtbedürfnis bedient sah. Die Offenheit habe zugenommen, das merke Méritt regelmäßig in ihrem „Sexclusivitäten“-Laden. Zwar seien vor allem männliche Kunden beim ersten Besuch verkrampft. Doch dass sie beim Anblick eines Vibrators noch die Augenbrauen heben und fragen, „Was ist das denn?“, erlebt sie nicht mehr. So hatten Zollbeamte reagiert, als sie vor 30 Jahren das erste Sexspielzeug aus den USA nach Deutschland importierte. Laura Méritt antwortete damals: „Na, was glauben Sie denn?“ Sie ist überzeugt, dass Männer genauso viel Spaß haben sollten wie Frauen, nicht mehr, aber auf keinen Fall weniger.

Die Szene für Pornos, wie sie sich im Regal ihres Ladens darstellt, ist allerdings noch klein und geht im konventionellen Geschäft unter. Daher der Pornofilmpreis. Méritt will Aufmerksamkeit für Sexfilme „mit Qualität“. Das heißt bei einem feministischen Porno: frauenfreundlich soll er sein. Für Laura Méritt gehören dazu bestimmte Regeln. Weibliche Lust soll positiv dargestellt werden. „Wir fordern quasi die zweite Hälfte des Pornos“, spielt Laura Méritt auf einen bekannten Feministinnenslogan an. Zudem müsse die Palette an Praktiken erweitert werden, alles andere sei langweilig: „Da hoffen wir natürlich auf einen positiven Rückkopplungseffekt auf die Männer.“ Und auf die Frauen. Denn bei feministischen Pornos sollen sie an der Produktion nicht nur als willige Objekte beteiligt sein. Dazu gehört, dass Darsteller angemessen bezahlt werden, vorher abgesprochen wird, was passiert und das alles, was zu sehen ist, freiwillig stattfindet. All diese Regeln – inklusive der Forderung nach Vielfalt der Körperformen und -farben – gelten auch für Männer. „Die wollen wir schließlich auch nicht zu wilden Sachen zwingen“, sagt Méritt.

Frauen, davon ist Méritt auch durch den Erfolg einiger Pornoregisseurinnen wie Erika Lust überzeugt, machen die besseren Pornos, weil sie entspannter mit Sex umgehen. „Wenn da etwas nicht funktioniert, lachen wir und fangen von vorne an“, sagt sie. Dass eine Nachfrage nach Pornos herrscht, die nicht die üblichen Großaufnahmen bei verteilten Rollen zeigen, hat mittlerweile auch die klassische Sexfilmindustrie erkannt. Aber schwenkt sie um?

Immerhin werden derzeit Filme der bekannten Regisseurin Monika Treut, die bereits in den achtziger Jahren mit Frauenpornos wie „Die Jungfrauenmaschine“ bekannt wurde, wieder aufgelegt. Im September erscheint ein Buch der schwedischen Regisseurin Erika Lust auf Deutsch, das „ein Wegweiser durchs Pornodickicht für alle, die sich endlich gute Sexfilme wünschen“, sein soll. Auch der dänische Regisseur Lars von Trier hat schon frauenfreundliche Pornofilme gedreht und sich an die Richtlinien des sogenannten „Puzzy Power Manifesto“ gehalten, das Méritts Kriterienkatalog ähnelt. Zudem sind Frauenpornos ein Schwerpunkt beim Berliner Porn-Filmfestival, wo ebenfalls der „Joy Award“ verliehen wird, der eine neue Herangehensweise in der Pornoregie prämiert. Eine große Bandbreite an Filmen gibt es trotz dieser Ansätze in Deutschland nicht. „Da wird eher auf normale Filme ein ,Frauenfreundlich‘-Stempel gehauen, so wie heute oft ,Bio’ auf Lebensmitteln steht, die alles andere als ,Bio’ sind“, bemerkt Méritt.

Deshalb soll ein „PorYes“-Gütesiegel, ähnlich dem Biolabel der EU, künftig gute Pornos von handelsüblicher Schundware unterscheiden. Die Verleihung findet am Ende der Erotikmesse Venus statt. Wie weit eine solche Ehrung aber über die Branche hinaus wirken und das Qualitätsbewusstsein des breiten Publikums prägen kann, ist fraglich bei einer Filmgattung, deren Syntax so simpel und funktional gestrickt ist, dass inhaltliche Qualität eigentlich egal ist.

Ob Méritt auch manchmal keine Lust hat, sich mit Sex zu beschäftigen? „Na klar“, sagt sie. „Sich jeden Tag mit Sex beschäftigen, das könnte nicht mal ich.“ Die Tür ihres Verkaufsraums bleibt an solchen Tagen zu. Und nur der Türstopper lässt erahnen, dass diese Frau nicht nur an der Uni arbeitet.

Lea Hampel

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