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KLASSIK-CD  der Woche: Schönheit, unerlöst

Die neue Klassik-CD der Woche kommt von Hans Pfitzner.

Hans Pfitzner war kein angenehmer Zeitgenosse. Früh stilisiert er sich zum deutschen Tonkünstler schlechthin, der sein anfangs gefeiertes Werk mit einer Flut von Schriften zur Musik unterfüttert, die selbst Wagner hätte erblassen lassen. In Berlin, so gibt Pfitzner zu Protokoll, habe er sich ganz besonders als Antisemit ausgebildet. Er schreibt Essays mit Titeln wie „Futuristengefahr“ oder „Neue Ästhetik der musikalischen Impotenz“. Das Schicksal will es, dass Hitler, der Pfitzner 1923 im Krankenhaus einen Besuch abstattet, fürderhin fest davon überzeugt ist, in dem bärtigen Komponisten der „Palestrina“-Oper fließe jüdisches Blut. Pfitzner dient sich zunehmend verbittert an, ist aber in der öffentlichen Wahrnehmung längst hinter den Rivalen Richard Strauss zurückgefallen.

Eine andere, zartere, verborgene Seite Pfitzners entdeckt nun das britische Label Hyperion in seiner Reihe „The Romantic Cello Concerto“. Als Student und als alter, sich verkannt fühlender Komponist komponiert er für das Instrument mit dem humanen Stimmumfang, schafft drei Konzerte und ein Duo für Violine und Orchester. Hier fließt sein Talent weitgehend ungepanzert in Musik, die einen seltsam unzeitgemäßen Zauber entfacht, den Wolfgang Rihm so beschreibt: „Wir finden nicht auf den ersten Blick das gebrochen Heutige in seinem Werk, aber auch nicht das ungebrochen Gestrige.“ Wir müssen, kann man daraus folgern, uns selbst zentrieren, wenn wir Pfitzner hören. Der Cellist Alban Gerhardt leistet dabei zupackend Hilfestellung. Fasslich, stets ein Gegenüber, entdeckt er, wie viel Pfitzner über Klangschichtungen wusste und wie sehr er darauf achtete, dass das Cello nicht von der Orchestermacht untergepflügt wird. Sebastian Weigle führt das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin mit Umsicht durch diese deutschen Tonbilder, in denen manch unerlöste Schönheit schlummert.

Erschienen bei Hyperion.

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