zum Hauptinhalt

Duo Broken Bells: Alles auf Zuckerguss

Indierockstar trifft Großproduzent: das überraschende Album des Duos Broken Bells. Die zerbrechlichen, im Surf- und Psychedelia- Sound der späten Sechziger verwurzelten Klanglandschaften lassen an Brian Burtons Produktion von Becks letztem Album „Modern Guilt“ denken.

Wenn man nicht weiß, wer hinter Broken Bells steckt, muss man schon genau hinschauen. Winzig stehen die Namen der beiden Protagonisten auf der Rückseite des Plattencovers: James Mercer – Vocals, Guitars, Bass; Danger Mouse – Drums, Organs, Piano, Synthesizers, Bass. Die demonstrative Bescheidenheit entspricht jedoch nicht dem Status der Akteure.

James Mercer ist Sänger, Gitarrist und Songschreiber der Shins, jener melodieverliebten Band aus Portland, deren Musik zum Pop-Kanon gehört, seit sie in der Kinokomödie „Garden State“ von Natalie Portman mit den Worten „this Song will change your Life“ angepriesen wurde. Böse Zungen behaupten, dieser Kulminationspunkt hätte die Shins, ja im Grunde den ganzen US-College-Rock verdorben: Die Verdienstmöglichkeiten, die sich mit der Verwendung ihrer Songs in Filmen und TV-Serien wie „Scrubs“ oder „The O.C.“ eröffneten, hätten aus hungrigen Bands fette, faule Schluffis gemacht. Den Shins zumindest ist der Erfolgskick nur bedingt bekommen. Nach Besetzungswechseln und kreativer Blockade hat Mercer die Band bis 2011 auf Eis gelegt.

Zum Glück gibt es von Unrast getriebene Geister wie Brian Burton, besser bekannt als Danger Mouse, bei dem der heimatlose Shins-Chef Unterschlupf fand. Und das wörtlich, denn Mercer zog während der Aufnahmen für das gleichnamige Debütalbum der Broken Bells mehrere Monate in Burtons Bude bei L. A. ein. Erstaunlich, dass der sich so viel Zeit nimmt: Danger Mouse ist einer der produktivsten und einflussreichsten Musiker des letzten Jahrzehnts. Sein Name fehlt in keiner Diskussion über Copyright und Authentizität in der Popkultur. Zum Held der Generation Download wurde er mit dem „Grey Album“, einem im Internet kursierenden Mash-up aus dem „White Album“ der Beatles und dem „Black Album“ von Jay-Z, das von der EMI aus dem Verkehr gezogen wurde. Der Kampf des kleinen Danger Mouse gegen den Plattengiganten war eine prima Visitenkarte. Daraus resultierende Produktionsaufträge für das zweite Gorillaz- Album und das Debüt von The Good, The Bad & The Queen festigten Burtons Ruf als Studiovisionär, während er als Hälfte von Gnarls Barkley mit dem Überhit „Crazy“ selbst zum Popstar wurde.

Broken Bells mag alle überraschen, die mit Danger Mouse wuchtige Hip-Hop- Beats assoziieren: Die elegant schwebenden Songs verströmen puren Westcoast- Wohlklang, der sich nur selten zu diskreten Soul-Tänzchen wie in „Vaporize“ oder stoisch rumpelnden Grooves wie in „The Ghost Inside“ aufschwingt. Die zerbrechlichen, im Surf- und Psychedelia- Sound der späten Sechziger verwurzelten Klanglandschaften lassen an Burtons Produktion von Becks letztem Album „Modern Guilt“ denken. Doch mit Mercer hat er nun einen Partner, der mit seinem ätherischen, häufig gedoppelten Gesang nicht nur die melodischen Konturen der Stücke aufreizend verwischt, sondern ähnliche Inspirationsquellen anzapft. So verdichtet sich das Beach-Boys- Feeling in „Your Head Is On Fire“ und „Citizen“ zu Momenten erhabener Schönheit, die von deren verkanntem Meisterwerk „Surf’s Up“ stammen könnten.

Die von Daniele Luppi arrangierten Streicher kippen an einigen Stellen etwas viel Zuckerguss auf die angenehme Sprödigkeit der Songs, erheben aber das Finale von „Sailing To Nowhere“ zu Monument-Valley-hafter, von den Westernepen John Fords inspirierter Weite. Bei „Mongrel Heart“ schraubt sich ein federleichtes Stück Synthiepop zum Morricone-Soundscape mit Antikenchor und Mariachitrompeten empor und gleitet in das finale „The Mall & Misery“. Da fließen dann New-Wave-Riffs und Twang-Gitarren, Steve-Reich-Streicher und Orgel- Geblubber, Discobass und Satzgesänge zur magischen Minisinfonie zusammen.

Zufällig erschien „Broken Bells“ am selben Tag wie das dritte Werk seiner ehemaligen Auftraggeber Gorillaz. Damon Albarns Weltorchester mag auf „Plastic Beach“ exotischere Klangfarben amalgamieren und ein beeindruckendes Staraufgebot in petto haben. Danger Mouse hat solche Tricks nicht nötig: Als genialer Pop-Alchemist mischt er mit seinem willigen Adlatus aus einfachsten Zutaten suchterzeugende Substanzen. Der Stoff, aus dem Klassiker gemacht werden.

„Broken Bells“ ist bei Sony erschienen

Jörg W, er

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false