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Rammstein 2022 im Berliner Olympiastadion

© picture alliance/dpa/Rammstein

Rammstein, Roger Waters und Co.: Pop trägt die Fratze des Bösen

Eine Unschuld hat Pop noch nie besessen, doch so schlimm wie im Moment war es lange nicht. Nur gut, dass Bruce Springsteen diese Woche nach Deutschland kommt.

Ein Kommentar von Gerrit Bartels

Wie gut, dass in der kommenden Woche ein Musiker in Deutschland auftritt, ein Rockmusiker zumal, der irgendwie das Gute personifiziert: Bruce Springsteen. Am Mittwoch spielt der Mann, der gern auch „Boss“ genannt wird und der das Milieu der einstigen Arbeiterklassehelden so glaubhaft repräsentiert und besingt, in Düsseldorf, um dann Mitte Juli noch nach Hamburg, Hockenheim und München zu kommen.

Gelegenheit also, zu verschnaufen, durchzuatmen von dem Rammstein-Wahnsinn, der sich noch einmal potenzieren könnte, wenn die Band Mitte Juli ihre drei Konzerte im Berliner Olympiastadion spielt. Das Rammstein-Ganze wirft im Moment kein gutes Licht auf die Popkultur, die Popmusikszene. Als wäre es kein Zufall gewesen, begannen die Vorwürfe gegen Till Lindemannwegen mutmaßlichen sexuellen Missbrauchs zu dem Zeitpunkt, da gerade Roger Waters seine umstrittene Tour durch Deutschland beendet hatte.

Das Böse schlechthin?

Hier der BDS-Anhänger mit seinem Agit-Prop-Getue auf der Bühne, dort Rammstein, deren Row-Zero-System in Rock, Metal und Rap kein Einzelfall ist: Die Fälle sind unterschiedlich, und doch drängt sich nach den vergangenen Wochen der Eindruck auf, der Pop sei das Böse schlechthin, ja, Pop habe endgültig seine Unschuld verloren. Nur: Zumindest diese Unschuld hat er nie besessen.

Ob das die Toten auf Konzerten waren von Altamont über Roskilde bis zum Astroworld-Festival in Houston; ob das Antisemitismus, Deutschtümelei und Mythenpropaganda beim Rechtsrock sind, auch das Spiel damit, das mit Nazi-Symbolik, das heutzutage anders bewertet wird als in den Achtzigern; oder ob es die sexuellen Vergehen weißer Rockstars oder schwarzer Popkünstler waren und sind, von Jerry Lee Lewis über Iggy Pop bis zu Don Henley, von Michael Jackson bis zu R. Kelly – Pop trägt die Fratze des Bösen.

Und Pop eignet sich auch nicht unbedingt für eine Demokratisierung, zum Beispiel für das Verhältnis zwischen Fans und denen da oben auf der Bühne. Dieses Machtgefälle ist Pop-immanent, und selbst Techno hat daran nichts geändert. So ist man dankbar für einen Springsteen und schaut milder auf die Grönemeyers und Lindenbergs, die auf ihren Konzerten immer so wohlfeil das Gute propagieren.

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