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Eine Live-Aufnahme des "Götterdämmerung"-Konzerts in der Philharmonie am 15. März 2013.

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KLASSIK-CD  der Woche: Mit Donnerhall

Der Wagner-Zyklus von Marek Janowski und dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin: Jetzt ist die finale "Götterdämmerung" auf vier CDs erschienen.

Was ist geblieben von den Wonnen und Weltenbränden des Wagner-Jahrs 2013? Eine Erschöpfung gewiss, ausgelöst vom Dauerfeuer dramatischer Stimmen, aber auch durch szenische Zurichtungen, die eher von einer Unlust am Gesamtkunstwerk künden, anstatt neue Runen zu weisen. Marek Janowski hat das alles kommen hören. Der Chef des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin ist ein Kritiker der zeitgenössischen Bühnenpraxis, bei der es ihm viel zu wenig um die Musik geht. Also starteten Janowski und seine Musiker schon im November 2010 ihren Wagner-Zyklus, der zweieinhalb Jahre lang die zehn Opern des Bayreuther Kanons konzertant in die Philharmonie wuchtete. Pflichttermine für wertkonservative Hörer. Jetzt ist der Wagner-Zyklus des RSB selbst Konserve geworden, das niederländische Label Pentatone veröffentlich alle Live-Mitschnitte als Hybrid-Multichannel-CDs. Schlussstein ist die Berliner „Götterdämmerung“, mit der Janowskis Wagner-Zyklus am 15. März 2013 umjubelt schloss.

Der Dirigent bereitet sich selbst die ärgste Vergleichsnot. Vor 30 Jahren spielte Janowski einen Studio-„Ring“ mit der Dresdner Staatskapelle ein, der sich noch heute preisgünstig im CD-Sortiment findet. Zu Recht, denn seine Stringenz und Verlässlichkeit werden selten erreicht. Auch in Berlin wieder dabei: Matti Salminen, der inzwischen 68 Jahre alte finnische Bass-Gigant, in seiner Paraderolle als Hagen. Ist das nur eine Besetzungssentimentalität des ansonsten gänzlich unsentimentalen Maestro? Nein, Salminen ragt noch einmal zu dämonischer Größe auf, schleudert heraus, was er hat, und trifft oft. Da möchte man kein Siegfried sein. Doch Lance Ryan, der sich auch durch Castorfs Bayreuther „Ring“ schlug, graust es vor nichts. Zunächst quäkend wie ein zweiter Mime, eher scharf zeichnender Charakter- als Heldentenor, entwaffnet er doch durch die Unbekümmertheit, mit der er durch die mörderische Partie turnt. Schön ist das oft nicht, aber: treffend.

Bei Janowski darf man nicht erwarten, dass Sänger über sich hinauswachsen, wie es Kirill Petrenko in Bayreuth gelang. Dafür denkt der RSB-Chef zu stark vom Orchestersatz her, dem seine ungeteilte Aufmerksamkeit gilt. Und es ist erstaunlich, was den Musikern des RSB unter ihrem gestrengen Chef gelingt: nie versiegende Fließkraft, Geschmeidigkeit, Suche nach Klarheit selbst im ärgsten Getümmel. So offenbart sich diese „Götterdämmerung“ als Dokument erfolgreicher Orchestererziehung, die auch auf Misstrauen fußt – und sich deshalb anfälliger für vokale Härten zeigt. Wagner ohne Reue gibt es nicht, auch im Nach-Jubeljahr. Ulrich Amling

4 CDs, Pentatone Classics

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