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Lesbisches Paar mit Adoptivkind.

© Carmen Jaspersen/dpa

Leben als Adoptivkind: Liebe ist dicker als Blut

Die Autorin Annette Mingels verdichtet in „Was alles war“ ihre eigenen Erfahrungen als Adoptivkind zu einem mitreißenden Roman.

Sie lebt in komplizierten Verhältnissen. Susa, von Beruf Meeresbiologin, hat sich in einen Witwer namens Hendryk mit zwei kleinen Töchtern verliebt. Dann wird sie schwanger, bekommt einen kleinen Jungen, heiratet Hendryk. und lebt ein Patchworkfamilienleben, einschließlich der üblichen Spannungen. Doch dann wird es richtig kompliziert: Sie lernt die Frau kennen, die sie geboren hat. Annette Mingels erzählt in ihrem Roman „Was alles war“ von einer Susa, die alles auf einmal sein soll: Adoptiv-Tochter, Frau, Ehefrau, Ersatz-Mutter, leibliche Mutter, und Schwester. Das hat auch mit ihrer eigenen Lebensgeschichte zu tun. Die 1971 in Köln geborene und ihn Hamburg lebende Autorin hat mehrfach beschrieben, wie es sich angefühlt hat, als adoptiertes Kind bei liebenden Ersatz-Eltern aufzuwachsen, unter anderem in einem autobiografischen Text für „Emma“.

Bis in manche Formulierungen hinein findet man ihn in dem Roman wieder: Wie prägt einen Menschen die Beziehung zu den Eltern, wenn sie nicht leiblich begründet ist? Wie stark sind die Gene, wenn Tochter und Mutter ihre biologische Verwandtschaft nicht gefühlt und nicht gelebt haben? Man staunt, wie stark Mingels in diesem Roman Beziehungen verdichtet. Alles ergibt sich, mal rumpelt das Leben dahin, mal fließt es.

Besonders atemlos liest man, wie Susas Adoptiv-Vater Krebs bekommt. Da kommt alles zusammen: die Kindheitserinnerungen beim Besuch zu Hause, die gewachsene Liebe zu den Eltern, das Mitleid mit dem alten Mann, der rasch Kräfte verliert, und das mit der Adoptiv-Mutter, die ihn am Leben zu halten versucht. Dazu die Freude an dem Jungen, den sie geboren hat, um ihn zu lieben, die Verlässlichkeit, die Susa mit ihrer (Adoptiv-)Schwester Maike verbindet. Dieser Roman könnte chaotisch wirken, wenn Mingels nicht genau wüsste, wie man die Dinge zusammenhält und auf nur einer Seite Wesentliches sagen kann.

Annette Mingels: Was alles war. Roman. Knaus Verlag, München 2017. 288 Seiten, 19,99 €.

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