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G.H. (Mahershela Ali), seine Tochter Ruth (Myha’la Herrold) und die Sandfords (Julia Roberts, Ethan Hawke) sind von der Außenwelt abgeschnitten.

© JoJo Whilden

„Leave the World Behind“ im Streaming: Die Endzeit findet ohne Netflix statt

Ein Blackout erfasst Amerika. In dem Mystery-Thriller „Leave the World Behind“ wappnen sich zwei Familien für den Ernstfall. Oder ist es doch nur Satire?

Von Andreas Busche

Die Endzeit kündigt sich damit an, dass sich der Stream unserer Lieblingssitcom mitten im Serienfinale aufhängt und die Tiere des Waldes sich etwas zu neugierig im Vorgarten versammeln. Übernehmen jetzt die selbstfahrenden E-Autos von Elon Musk die Kontrolle über die Welt? In der Netflix-Produktion „Leave the World Behind“ von Sam Esmail geschieht noch mehr Unerklärliches, unter anderem läuft ein Öltanker an einem Badestrand vor New York auf Grund und werfen Drohnen Handzettel in arabischer Sprache ab.

Ein Blackout hat Amerika erwischt, Internet und Satelliten sind ausgeschaltet. Ein Haus auf dem Land, vermeintlich weit ab von der Zivilisation, scheint da das beste Refugium zu sein, denn wie wir seit Thomas Hobbes wissen: In Krisenzeiten ist der Mensch dem Menschen ein Wolf.

Die Sandfords, eine New Yorker Bilderbuchfamilie – Amanda (Julia Roberts) ist eine misanthropische PR-Beraterin, Clay (Ethan Hawke) Dozent an einem unbedeutenden City College –, werden von dem Blackout an einem gemeinsamen Landflucht-Wochenende in dem protzigen Anwesen des Investmentbankers G. H. Scott (Mahershala Ali) überrascht.

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Plötzlich kriegen die Handys kein Signal mehr, Nachrichten dringen nur noch sporadisch in die Landliebe-Idylle. Ihre Teenager-Kinder (Farrah Mackenzie, Charlie Evans) hängen zunächst gelangweilt im Pool herum oder streunen durch den Wald; die 13-jährige Rose ist genervt, weil sie nun nicht weiß, wie die letzte Staffel von „Friends“ ausgeht. (Die größte Katastrophe im Falle eines totalen Blackouts? Die Menschen müssen sich die Zeit ohne Netflix vertreiben.)

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Aber dann steht der Hausbesitzer mit seiner erwachsenen Tochter Ruth (Myha’la Herrold) vor der Tür, ebenfalls auf der Suche nach einem sicheren Ort. Die Oper fällt heute abend aus. Sehr zum Missfallen der schwer angespannten Amanda, die von einem schwarzen Mann in dieser Gegend natürlich nichts Gutes erwartet. Es wird eng im Haus der Scotts; um den brüchigen Frieden zu bewahren, zieht G.H. mit seiner Tochter erst mal in den Keller.

Stresstest für den kindlichen Gemütszustand

Sam Esmail wurde mit der Hacker-Serie „Mr. Robot“ zum gefragten Regisseur im Streamingzeitalter, daher überrascht es nicht, dass schon bald von einem Cyber-Angriff auf die USA (die Welt?) die Rede ist. Ein Passagierflugzeug gräbt sich vor den Augen von G.H. in den Sandstrand. Das globale Szenario spielt sich außer in ein paar von solch spektakulären Szenen aber eher im Hintergrund ab, untermalt von Mac Quayles nervösem, atonal-kratzendem Score.

„Leave the World Behind“ unternimmt vielmehr einen Stresstest unter Extrembedingungen: Zwischen Clays verzagter Unbedarftheit, Amandas latentem Rassismus und der permanenten Abhängigkeit von Medien und technischen Gimmicks entwirft die Verfilmung von Rumaan Alams Bestsellerroman ein fast satirisches Licht auf den kindlichen Gemütszustand Amerikas.

Da wirkt der von Kevin Bacon gespielte Nachbar, den G.H. um Hilfe für Clays kranken Sohn Archie bittet, fast schon wie die Stimme der Vernunft – obwohl der auch nur die üblichen verschwörungstheoretischen Erklärungen parat hat. Aber immerhin für die Apokalypse gewappnet ist. „Ich bin hilflos ohne mein Handy und ohne GPS“, fleht Clay den bewaffneten Prepper an. „Ich bin ein nutzloser Mann.“

Esmail hat seine Lektion beim Mystery-Spezialisten M. Night Shyamalan gelernt. Rätsel um Rätsel türmt sich in „Leave the World Behind“ auf, geradewegs auf den Eskalationspunkt zu: ruhelos und bedeutungsschwer umkreist von Tod Campbells Kamera, die vermutlich für weitere Verunsicherung sorgen soll. Man hat das alles natürlich schon x-mal gesehen. Wohl dem, der da sein „Friends“-DVD-Boxset im Atombunker aufbewahrt. Die zehn Staffeln kann man übrigens auch auf Netflix sehen – solange das Internet hält.

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