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Dr. Alemán

© Promo

''Dr. Alemán'': Willkommen in Cali

Auf der Suche nach Wahrheit: Im Film "Dr. Alemán" geht August Diehl als deutscher Medizinstudent in das Krankenhaus eines kolumbianischen Armenviertels. Leider nervt er dabei.

Zuerst die gute Nachricht: Ja, wir Deutschen können Filme machen, die sich anfühlen wie "City of God" oder "Amores Perros". Zu verdanken haben wir das im Fall von "Dr. Alemán" der Kamera von Olaf Hirschberg und der Musik von Josef Suchy. Vor allem die oft dokumentarfilmhafte Kamera lässt den Zuschauer empfinden, wie es sich anfühlt, zum ersten Mal durch die lauten und schmutzigen Straßen der kolumbianischen Millionenstadt Cali zu treiben.

So begleiten wir den 26 Jahre jungen Medizinstudenten Marc (August Diehl) zu seinem Praktikum im Krankenhaus von Cali, wo er das Abenteuer seines Lebens erleben - und gleichzeitig dem sinnlosen Schicksal seines Vaters entkommen will: Der hat bis zu seinem 40. Lebensjahr Frankfurter Wohlstandsbürger behandelt, bevor ihm ein Herzinfarkt den Garaus machte. Und so schneidet Marc Tag für Tag Pistolenkugeln aus jungen Kolumbianern und fühlt sich gut dabei.

Noch besser fühlt er sich, als er sich zuerst mit seinen Ärztekollegen überwirft (weil die, wie üblich in Südamerika, in einer reichen Parallelwelt hinter hohen Mauern leben) und dann auch noch aus seiner spießigen Gastfamilie aus- und bei Wanda (Marleyda Soto) einzieht. Die lebt im Slum Siloé mit einem ganzen Haufen Straßenkindern zusammen, und nach kurzer Zeit ist Marc nicht nur der beste Freund der Straßenkinder, sondern liegt auch mit Wanda in der Kiste. Jetzt hat er das geschafft, was die Produzenten ihm auf den Leib geschneidert haben: "Geh in die Fremde. Vergiss deine Angst. Geh ganz nah dran. Verliebe dich. Tauch' ein. Bis die Grenzen verschwimmen, weit hinter dir." So tönt es im Pressetext.

Milchgesicht trifft Drogenbaron

Das Problem: Je weiter sich Marc verstrickt, je weiter er "in die Fremde geht", desto unglaubwürdiger wird er, desto mehr scheint er als Sklave eines Drehbuchautoren, der ihn ins Verderben jagen will. Als er schlussendlich auch noch das Duell mit dem lokalen Drogenbaron "El Juéz" ("Der Richter") sucht und dieses Grande Finale gegenüber Wanda mit dem Satz "Das ist eine Sache zwischen ihm und mir" einleitet, kann man ihn nicht mehr ernst nehmen. Denn den Satz trägt er mit dem gleichen Milchgesicht vor, mit dem er auch am Flughafen angekommen ist.

Dass "Dr. Aléman" eine reale Vorlage hat, - ein deutscher Arzt, der heute in New York als Anästhesist arbeitet - kann den Film nicht retten. Auf Nachfrage räumt Produzent Jörg Siepmann ein, dass die Episode mit dem Drogenbaron "hinzudramatisiert" wurde. Eben die nimmt dem Film aber letztlich die Glaubwürdigkeit. Jeder junge Mensch, der ins Ausland geht, um Erfahrungen zu sammeln und die Welt woanders ein bisschen besser zu machen, weil sie in Deutschland schon ziemlich gut ist, möchte gerne das wahre Leben kennen lernen: Mit echten Ghetto-Kids Fußball spielen, einer von ihnen werden und nicht außen vor sein. Dabei macht man Fehler: Man wird abgezockt, ausgenutzt, manchmal auch ausgeraubt. Aber: Seinen Selbsterhaltungstrieb verliert man dabei nicht.

Und August Diehl? Hat fleißig spanisch gelernt (was in der deutsch synchronisierten Fassung leider verloren geht), mimt das naive Wohlstandskind mit Missionswillen (Welt besser machen und andere aus ihrer ignoranten Haltung aufrütteln) aber zu penetrant: Auf jeden noch so schweren selbstverschuldeten Schicksalsschlag reagiert sein Gesicht nur mit unverrückbar dümmlich-naivem Grinsen.

Regisseur Tom Schreiber und seine Produzenten haben um Authentizität gekämpft: Ihre jugendlichen Schauspieler rekrutierten sie allesamt aus der Hüttensiedlung, wo der Film auch gedreht wurde. Vorlage dafür: "City of God". Deshalb wirken die Bilder auch echt. Aber "City of God", kam der nicht ganz gut aus ohne August Diehl in der Hauptrolle?

Broadway, Cinemaxx Potsdamer Platz, FT Friedrichshain, Kulturbrauerei, Neues Off; OmU im Central

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