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Multiperspektivisch mit Zentralperspektive. Das Scharoun Ensemble.

© Ghandtsch

Kammermusikalischer Feinschliff: 40 Jahre Scharoun Ensemble

Unvermindert jugendlich: Im Sinne seines Namensgebers verbinden diese Musiker Tradition und Moderne

Nicht das Etikett „philharmonisch“ trägt das Scharoun Ensemble Berlin im Titel, sondern den Namen des Architekten seiner Heimstatt, der Berliner Philharmonie. Bis heute prägt er das Profil des Klangkörpers, zu dem sich vor 40 Jahren junge Orchestermitglieder zusammenfanden, zunächst „nur“ mit dem Ziel, Schuberts einzigartiges Oktett aufzuführen.

Im Geburtstagskonzert hat dieses vielschichtige Werk alles andere als 40 Jahre lang Staub angesetzt. Es erklingt so frisch und neu, als wäre es eben erst aus der Taufe gehoben worden. Exemplarisch zeigt sich hier, wie kammermusikalischer Feinschliff auch von den Entwicklungen eines Orchesters profitieren kann. Alles ist durchsichtiger, feingliedriger, detailfreudiger geworden; der Auseinandersetzung mit „historisch informierter“ Spielweise sei’s gedankt.

Wolfram Brandl an der ersten Violine vermeidet alle vordergründige Süße, wirkt umso mehr mit zuweilen betörendem Schmelz und nimmt sich immer wieder diskret zurück. Mit Alexander Baders Klarinette tritt er in mal launigen, mal empfindsamen Dialog. Stefan de Leval Jezierski steuert romantische Hornrufe und dramatisch aufheizende Signale bei, nicht weniger wandlungsfähig zeigt sich Markus Weidmann am Fagott. Rachel Schmidt an der zweiten Geige und der Bratscher Micha Afkham vollbringen wahre Wunderwerke an feingesponnener Figuration - „Begleitung“ kann man das nicht nennen.

Beredtes Mienenspiel

Im Zentrum sitzt Claudio Bohorquez, hält die Fäden mit beredtem Mienenspiel und warmen Cellotönen zusammen, unterstützt vom so wichtigen Kontrabass-Fundament von Peter Riegelbauer. Alles atmet eine Einmütigkeit, eine klanglich-emotionale Ausgewogenheit, als spielte hier eine Person – die sich dann wieder in ganz unterschiedliche Facetten auffächert.

Dieses belebende und bewegende Spiel erhält nach einer rasanten Stretta des kleingliedrig akzentuierten, dadurch sehr witzig betonten Finales begeisterten Applaus im vollen Kammermusiksaal. Der erste Programmteil bezeugt das Engagement des Ensembles für Zeitgenössisches im Sinne des Tradition und Moderne verbindenden Namensgebers.

Hans Werner Henzes „Quattro Fantasie“ erscheinen in melodiöser Klangsinnlichkeit ein wenig verblasst. Christophe Horák profiliert sich gleichwohl mit intensiver erster Violine. Brett Dean, ehemaliges Philharmoniker- und Scharoun-Mitglied, gratuliert mit der dramatischen Szene „Ich lausche und höre“ für Sopran und Oktett, ein Vorgriff auf eine geplante Oper. Die Uraufführung dieser expressiven, von Sarah Aristidou mit allen Nuancen von Verzweiflung und Leidenschaft versehenen Totenklage erhält besonders herzlichen Beifall.

Dennoch gebührt die Komponistenkrone hier David Philip Hefti: „Des Zaubers Spuren“ folgt Schuberts Oktett mit zunächst geräuschhaft verunklarter Suche nach tonalen Zentren, die in klagende Melodik mündet und diese Kontrastelemente in faszinierende Bewegung bringt, plastisch dargestellt von den unermüdlichen, darin unvermindert jugendlichen „Scharouns“.

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