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Erschöpft. Indische Arbeiter schlafen im Stofflager.

© Pallas Film

Im Kino: Doku „Machines“: Im Bauch der Fabrik

Der Dokumentarfilm „Machines“ zeigt in meditativen, ungeschönten Bildern den Alltag in der Textilindustrie in Indien, den Schmerz der arbeitenden Menschen - und ihre Würde.

Der Lärm ist zuerst da. Ein rhythmisches Stampfen, das immer lauter wird. Dann löst sich eine Gestalt aus der Schwärze, öffnet große Ofenklappen, schürt das Feuer. Funken stieben, Flammen schlagen. Und der Mensch, der sie kaum bändigen kann, erscheint als Diener, als verlängerter Arm einer zischenden Maschinerie, die seine Arbeitskraft, ja womöglich seine ganze Existenz verzehrt.

Dieses Eingangsmotiv setzt den Ton für Rahul Jains auf internationalen Festivals von Sundance bis Leipzig viel beachtete Dokumentation „Machines“. Der in den USA ausgebildete Regisseur porträtiert in seinem Debütfilm eine Textilfabrik im indischen Bundesstaat Gujarat. Und die Tatsache, dass der in den USA ausgebildete Filmemacher selbst Enkel eines Stofffabrikanten ist, hat durchaus dabei geholfen, ihm ungeschönte Einblicke in deren frühindustriell anmutende Produktionsabläufe zu verschaffen.

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Gewerkschaften? Gibt es keine im Betrieb. Schutzkleidung? Ebenfalls Fehlanzeige. Bis auf einige Paare zu großer Gummihandschuhe, die selten genug auf den Händen der hier arbeitenden Jungen stecken, gibt es nichts, was die Sandalenträger vor den Chemikalien der Stoffdruckmaschinen schützt. Und wenn die Wolkenbrüche des Monsuns das Fabrikgelände fluten, schwemmt das Wasser mit Sicherheit mehr als nur Schmutz weg.

In langen Einstellungen tastet sich die von Rodrigo Trejo Villanueva geführte Kamera durch die labyrinthische Infrastruktur. Stoffbahnen rattern über endlose Rollen, tauchen durch Farbbäder, schichten sich zu wahren Textilgebirgen. Immer wieder bleibt ihr Blick an Schlafenden hängen, die mangels Geld, Zeit und Heimstatt kurzerhand auf den von ihnen produzierten Stoffen schlafen. Ihr Leben, das ist wortwörtlich die Fabrik.

Der Regisseur wurde inspiriert von Michael Glawogger

45 Millionen in der Bekleidungsindustrie beschäftigte Inder versorgen die Welt mit billigen Stoffen und Kleidern. Die Wochenarbeitszeit liegt bei 70 bis 80 Stunden, ein Monatslohn zwischen 70 und 130 Euro. Trotzdem nehmen die teils auch in Interviews zu Wort kommenden Arbeiter Hunderte von Kilometern Anreise für diesen Job in Kauf. Sie sind arm, haben keine Wahl, und wenn es nach dem Herrn geht, der im letzten Filmdrittel als einziger Vertreter einer unsichtbar über dem Fabrikbauch thronenden Chefetage auftritt, sollen sie auch arm bleiben. Mit größter Selbstverständlichkeit führt er aus, dass es keinen Sinn mache, Leuten mehr Geld zu zahlen, die eh zu ungebildet seien, um damit Sinnvolles anzufangen.

Und doch ist „Machines“ keine Sozialreportage über die Auswüchse des globalen Kapitalismus, sondern eine gelegentlich durchaus zum bewegten Ornament gerinnende Meditation über mechanische Arbeitsabläufe. Schmerz, Schönheit und Würde des arbeitenden Menschen hat zuletzt niemand eindrucksvoller – und ambivalenter – in Szene gesetzt als der verstorbene Dokumentarfilmer Michael Glawogger. Rahul Jains „Machines“ ist sichtlich von dessen Film „Workingman’s Death“ inspiriert, visuell allerdings weniger wuchtig ausgeführt. Sein Hammer ist der Satz eines Arbeiters: „Mein einziger Trost ist, dass alle sterben werden. Und dass auch die Reichen diese Welt mit nichts verlassen müssen.“

Lichtblick-Kino, OmU: Moviemento, Tilsiter-Lichtspiele

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