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Seymour Levov (Ewan McGregor), Dawn (Jennifer Connelly)

© Tobis

Im Kino: "Amerikanisches Idyll": Eine Familie geht kaputt

Der Schauspieler Ewan McGregor wird Regisseur. Und besetzt sich gleich in der Hauptrolle: „Amerikanisches Idyll“ nach Philip Roth.

Er ist der verkörperte amerikanische Traum: groß, blond, breitschultrig, sportlich und dabei so freundlich wie selbstbewusst: der „Schwede“ – so nennen ihn seine Mitschüler und Mannschaftskameraden und bald das ganze Viertel, aus dem er stammt. Nur dass er gar kein Schwede ist, sondern russisch-jüdische Wurzeln hat: Für Seymour Levov scheint ein glücklicher Lebensweg vorgesehen zu sein, das jedenfalls vermutet Nathan Zuckerman, der Freund seines jüngeren Bruders.

„Amerikanisches Idyll“ (Originaltitel: American Pastoral), Philip Roths 1998 mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichneter Roman, zeichnet ein sorgfältiges Porträt seines Helden, der unendlich viel differenzierter ist, als es der Erzähler Nathan Zuckerman – Roths Alter Ego – ihm zugetraut hätte. Mit der langsamen Annäherung an die Biografie des sogenannten Schweden, ausgelöst durch eine Begegnung mit dessen Bruder Jerry auf einem Klassentreffen, begibt sich der Autor auf eine Zeitreise durch die ersten drei Nachkriegsdekaden – vom Wirtschaftsaufschwung und Kalten Krieg während der Eisenhower-Ära über die Bürgerrechtsbewegung, die kurze Präsidentschaft John F. Kennedys bis zum Vietnam-Krieg und den Protesten, die er auslöste.

Tochter will sich gegen ihre schönen, erfolgreichen Eltern absetzen

Dieses komplexe Gesellschaftsporträt nun reduziert der Regie-Debütant Ewan McGregor auf eine Familiengeschichte. Leider spielt er darin auch die Hauptrolle, für die er deutlich zu alt ist. Schauspieler, die ins Regiefach wechseln, neigen bekanntlich mitunter dazu, sich selbst in wichtigen Rollen zu inszenieren; nicht nur George Clooney und Clint Eastwood sind schon in diese Falle getappt. Ewan McGregor musste sich also umso eindringlicher bemühen, die Zügel des Dramaturgie-Gauls fest in der Hand zu behalten; manchmal allerdings bringt er den ohnehin nur zockelnden Kaltblüter fast zum Stehen.

Der Schwede hat, um sein Glück perfekt zu machen, die Schönheitskönigin Dawn (Jennifer Connelly) geheiratet; die beiden werden zum Glamour-Paar der Kleinstadt-Society; schon bald wird die Tochter Merry geboren, die allerdings leider stottert. Da die vom Vater übernommene Handschuh-Manufaktur mit den schwarzen Arbeitern genug Geld für einen großzügigen Lebensstandard abwirft, scheuen die Levovs keine Kosten, um die Tochter zu heilen, aber der Erfolg bleibt aus. Vielleicht wolle sie sich gegen ihre schönen, erfolgreichen Eltern absetzen, ist die Deutung, die eine Therapeutin dem fassungslosen Paar präsentiert.

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Der Rest der Geschichte folgt dem Prinzip Eskalation: Merry (Dakota Fanning) wird zur wütenden Vietnamkriegs-Gegnerin, die ihre bürgerlichen Eltern für alles Leid der Welt verantwortlich macht. Dann explodiert eine Bombe im Postgebäude des Orts in New Jersey, wo die Familie wohnt, und Merry verschwindet. Nie gibt ihr Vater die Hoffnung auf, sie wiederzusehen, während die Mutter in die Depression flüchtet.

Ewan McGregor beginnt seine Verfilmung mit einem Klassentreffen, und er führt Zuckerman (David Strathairn) als Erzähler ein, dem dann allerdings kaum mehr als der Voice-over-Kommentar obliegt. Die Rückblende gefällt sich im Ausstellen blankgeputzter Autos und hübscher Kostüme. Der schönste Schauplatz ist die Manufaktur, in der die Metallformen zum Spannen der Handschuhe wie von Körpern abgetrennte Hände in langer Reihe nebeneinander stehen und an das Ergebnis des Bombenanschlags denken lassen. Dramaturgisch setzt Ewan McGregor dort Akzente, wo er sich besonders viel Wirkung verspricht; das geht zwangsläufig auf Kosten der Komplexität. Wer darauf nicht verzichten mag, hält sich besser an den Roman.

In Berlin in den Kinos Cinemaxx, Titania-Palast; Cinestar SonyCenter (OV); OmU im Filmkunst 66, Hackesche Höfe, Kulturbrauerei, Rollberg

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