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Kultur: Hoheitsvoll

60 Jahre DeutschesTheater: Glückwunsch an Inge Keller

Zum ersten Mal sah ich Inge Keller im November 1956 als Regina in „Kleine Füchse“ von Lillian Hellman unter der Regie von Wolfgang Heinz in den Kammerspielen des Deutschen Theaters. Da war sie schon sechs Jahre am damals von Wolfgang Langhoff geleiteten Haus engagiert. Jetzt feiert sie dort ihr sechzigjähriges Jubiläum. Für mich ist Inge Keller nicht nur die große, die einzigartige Schauspielerin, sondern ein Mensch, zu dem man aufsieht, der einem Mut macht und in eine strenge Schule nimmt. Das unnahbar Hoheitsvolle der jungen Inge Keller hatte etwas Einschüchterndes. Aber – sie war ja immer nur voraus, man musste sie nur einholen, um ihre Freundlichkeit, ihre Sensibilität, ihren Humor zu entdecken. Sie wollte immer das Gespräch, kein bloßes Plaudern mit ihrem Publikum, bis heute. Wer mit ihr reden will, muss ihrem Wissen, ihrer Neugier, ihrer gedanklichen Disziplin standhalten. Und wer ihr zusieht, muss die Wege gehen, die sie gebahnt hat – vom tadellos und scharfsinnig erfassten Äußeren jeder Figur in Bereiche, die sich nur zögernd, dann aber besonders beglückend und einfühlsam öffnen.

Nun sind Jahrzehnte vergangen. Gesundheitlichen Problemen stellt sich die 87-Jährige mit bewundernswerter Tapferkeit. Wenn es denn sein muss, lässt sie sich auf die Bühne führen. Zuhausebleiben, das gibt es nicht. Wenn sie auf der Bühne ist, tun sich Welten auf. Mag die Zeit der großen Rollen vorbei sein – ihre Anwesenheit genügt. Da herrschen auch beim kürzesten Auftritt Stille und Spannung, da offenbaren sich Menschenwege, schlicht, wahrhaftig, ohne den Hauch komödiantischer Wirkungssucht. Und wenn Inge Keller liest, erschließt sich das Formvollendete gestalteter Sprache. Am Sonntag um 11 Uhr liest Inge Keller im Deutschen Theater Franz Fühmanns Novelle „Die Schöpfung“. Sie hat an dieser Bühne in der Schumannstraße nicht nur Rollen gespielt. Sie war und ist eine hochgeachtete Kollegin, Vorbild, Ratgeberin für schon mehrere Generationen jüngerer Künstler. Wenn es überhaupt möglich ist, dass ein Mensch Geschichte verkörpert, dann ist das bei Inge Keller der Fall. In der von ihr zur Lesung ausgewählten Novelle über Weltenschöpfung, Wahrhaftigkeit und Moral wird sich das wieder zeigen. Christoph Funke

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