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Hermann Parzinger.

© dpa

Erweiterungsbau für die Neue Nationalgalerie: Hermann Parzinger setzt auf privates Geld

Es scheint Bewegung in die Planung eines Erweiterungsbaus für die Neue Nationalgalerie zu kommen. Damit könnten die Bestände der Klassischen Moderne endlich genügend Platz finden. Im Interview setzt Hermann Parzinger auf Public-Private-Partnership, da dem Bund die Mittel fehlen.

Herr Parzinger, die Neue Nationalgalerie schließt Ende 2014 zwecks Sanierung, aber die Pläne für einen Erweiterungsbau sind nicht weitergediehen. Was halten Sie von der Initiative von Kulturstaatsministerin Monika Grütters, den Bau über eine Public-Private-Partnership zu realisieren?
Ich verstehe, dass die Öffentlichkeit ungeduldig ist. Dennoch geschieht im Hintergrund eine Menge. Wir waren noch nie zuvor so nah an einer Lösung, auch einem privaten Modell. Die jüngste Erhöhung des Bauhaushalts um 26 Millionen Euro dient in erster Linie der Sanierung des Mies-van-der-Rohe-Baus. Wenn aber jemand Drittes für die öffentliche Hand den Bau realisiert, wäre das der Durchbruch. Im Bundesfinanzministerium, in dem die Idee geprüft wird, hält man das für eine interessante Idee. Ich teile den Optimismus der Kulturstaatsministerin, dass wir auch das letzte Stück gehen werden.

Was heißt das genau?
Wir würden den Neubau erst mieten und hätten dann eine Kaufoption. Fachleute prüfen jetzt die Wirtschaftlichkeit des Modells. Die Politik könnte sich das grundsätzlich vorstellen. Es kommt vor allem darauf an, dass die Konditionen stimmen.

Sind die Aussichten wirklich gut? Das benachbarte Bauhaus-Archiv hat gerade seinen als Public-Private-Partnership-Projekt geplanten Sanaa-Anbau beerdigt. Dort wird neu ausgeschrieben. Beim Humboldt-Forum ist es auch nicht einfach.
Man muss unterscheiden, ob man Spenden sammelt, um etwa die Fassade des Schlosses zu realisieren, oder eine echte Partnerschaft praktiziert. Das bedeutet, dass andere vorfinanzieren, was die öffentliche Hand nicht leisten kann und die es erst später erwirbt. Wir brauchen keine Spender wie beim Schloss, sondern jemanden, der die Verantwortung für den Bau übernimmt. Die Raumanforderungen würden von der Nationalgalerie formuliert. Gebaut würde nur nach den Vorgaben der Museen.

Welche Variante favorisieren Sie: den Erweiterungsbau hinter der Nationalgalerie oder ein Gebäude an der Potsdamer Straße?
Beides hat Vor- und Nachteile. Die Sigismundstraße bietet weniger Fläche, aber wir könnten sofort loslegen. Neue Nationalgalerie und Gemäldegalerie würden in diesem Bereich arrondiert. Andererseits wird damit das Problem des Kulturforums nicht gelöst. Beim Standort Potsdamer Straße müsste zunächst der Bebauungsplan geändert werden, aber das sollte keine unüberwindbare Hürde sein. Diese Variante bietet auch eine Perspektive für das Kulturforum an sich, auch wenn die Piazetta damit noch nicht verbessert wird. Sicher ist, dass zwischen Scharouns Philharmonie und Mies’ Nationalgalerie kein mächtiger Bau stehen kann, sondern nur einer, der sich auch städtebaulich gut einpasst.

Wie ist der Zeitrahmen gesteckt?
Wir brauchen eine zügige Entscheidung, die den Sammlern Sicherheit gibt, denn in die Galerie des 20. Jahrhunderts sollen auch die Sammlungen Pietzsch, Marzona und Marx einziehen. Wenn die Rahmenbedingungen der Public-Private-Partnership stimmen und ein Dritter für den Bund baut, können Dinge auch schneller umgesetzt werden.

Das klingt vage, aber die Neue Nationalgalerie schließt Ende des Jahres. Wie wollen Sie die Zeit überbrücken?
Wenn der Mies-Bau wiedereröffnet wird, steht die Erweiterung gewiss noch nicht. Aber der Neubau könnte im Gange sein. Wenn die Öffentlichkeit jetzt wüsste, dass Entscheidungen getroffen sind und etwas Verbindliches da ist – wenn auch erst einige Jahre später zu realisieren –, dann ist das besser als diese Ungewissheit momentan. Deshalb arbeiten wir an einer baldigen Entscheidung. Im Übrigen verschwindet mit der Schließung des Mies-Baus die Moderne nicht. Wir machen aus der Not eine Tugend und zeigen die Werke in neuen Kontexten, im Dialog mit den anderen Sammlungen.

Was planen Sie konkret?
Wir wollen in einem Flügel des Hamburger Bahnhofs auf 800 Quadratmetern ab Mitte 2015 eine permanente Dependance für die Klassische Moderne einrichten, die wir „Neue Galerie“ nennen. Alle halbe Jahre wechseln die Meisterwerke, zunächst stehen Kirchner und Belling im Vordergrund. Vielleicht wird dann sogar mehr Klassische Moderne zu sehen sein als zuletzt bei der Ausstellungstrilogie. Für Mai ist in der Alten Nationalgalerie mit 120 Werken der Nationalgalerie und 40 Arbeiten des Kupferstichkabinetts eine Schau zum Impressionismus und Expressionismus geplant. 2017/18 wollen wir den Martin-Gropius-Bau bespielen.

Gehen Werke auch auf Tournee?
Es gibt Pläne für Gastspiele, zum Beispiel in Tokio. Und schon konkret: 2015 soll zum 50-jährigen Jubiläum des Israel-Museums und zum 50-jährigen Bestehen der diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschland und Israel in Jerusalem eine Ausstellung Klassischer Moderne gezeigt werden. Das hat eine besondere politische Dimension, dort Meisterwerke aus der Nationalgalerie zu zeigen, die von den Nationalsozialisten als „Entartete Kunst“ diffamiert wurden.

Erwarten Sie, dass die Diskussion um Restitution dort noch einmal aufflammt?
Wir müssen uns nicht verstecken. Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz hat bereits viele Bestände geprüft. Im Sommer haben wir mit einem Forschungsprojekt zum Museum Berggruen begonnen. Wir können auch in Jerusalem darauf hinweisen, was in Deutschland an Provenienzforschung geleistet wird. In Israel wird die Initiative von Staatsministerin Grütters zur Gründung eines „Deutschen Zentrums Kulturgutverluste“ zur Aufarbeitung des nationalsozialistischen Kunstraubs sicher gewürdigt. Allen war klar, dass Deutschland ein anderes Bild nach außen abgeben muss und dass sich nach Israel, Amerika oder Argentinien nicht vermitteln lässt, wie kompliziert die Zuständigkeiten zwischen Bund, Ländern und Kommunen sind. Mich hat beeindruckt, wie schnell die Politik gehandelt hat und wie deutlich sich Bund und Länder zum Magdeburger Zentrum bekannt haben. Das wird man auch in Israel wahrnehmen – und sich über die Ausstellung freuen, die ein Zeichen der engen kulturellen Beziehung beider Länder setzt.

Demnächst jährt sich der „Schwabinger Kunstfund“. Welche Folgen hatte er für die Staatlichen Museen?
Durch die Entdeckung der Sammlung Gurlitt ist Handlungsdruck entstanden. Bisher wurde von politischer Seite die Verantwortung meist den Kultureinrichtungen übertragen. Es fehlte aber Geld und Kompetenz. Besonders kleinere Museen waren überfordert. Durch Gurlitt wurde klar, dass darüber nicht mehr hinweggegangen werden kann. Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz arbeitet seit 1999 intensiv an Provenienz- und Restitutionsfragen.

Aus der NS-Zeit klaffen heute noch Lücken in den Beständen der Museen, deshalb brauchen Sie Sammler wie Heiner Pietzsch. Ab Montag sind im Mies-van-der-Rohe-Bau 20 Meisterwerke seiner Kollektion zu sehen, als Aussicht auf eine Galerie des 20. Jahrhunderts. Doch der Vorwurf bleibt, dass sich ausgerechnet Berlin als Stadt der Moderne nicht genügend kümmert.
Es ist ein langer Weg. Die Stiftung hat nicht nur dieses Problem zu lösen, sondern noch viele andere, besonders mit der Sanierung der historischen Gebäude. Mit dem Pergamonmuseum haben wir begonnen, das Alte Museum steht noch aus; die Baustelle der Staatsbibliothek Unter den Linden ist noch in vollem Gange. Im Unterschied zu anderen deutschen Städten arbeiten wir jetzt erst 40 Jahre deutscher Teilung auf. Im Pergamonmuseum befinden sich im Dach zum Teil Stahlträger, die noch durch die Hitzeeinwirkungen der Bombentreffer verbogen sind. Sie rosten aus der Wand heraus. Nach dem Krieg wurde nur das Notwendigste gemacht. Das soll keine Kritik an unseren früheren Ost-Berliner Kollegen sein, die für ihre Museen taten, was sie konnten. Und dennoch: 84 Jahre ohne eine Grundsanierung sind eine verdammt lange Zeit. Das macht es so unglaublich kostenintensiv.

Das Gespräch führte Nicola Kuhn.

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