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Eine Königin. Grace Jones, 1989 für eine Modestrecke aufgenommen, fotografiert von Helmut Newtons Freund Greg Gorman.

© Greg Gorman

Helmut Newtons Modefotos: Eleganz und Emanzipation

Kurze Röcke, aufsteigende Raketen: Die Helmut-Newton-Stiftung zeigt Modefotografie des Meisters und seines Freundes Greg Gorman.

Wer will schon Natur, wenn er Helmut Newton haben kann. Ein Fotograf, der Körper ölig glänzen lässt, wenn sie in seinen Modeaufnahmen vor einem Pool stehen und nass aussehen sollen. Der Pelz nur für Frauen schön findet und einen Bären höchstens am Ring im Hintergrund tanzen lässt wie 1970 für die „French Vogue“. Politisch korrekt war das alles nicht, aber wen hat es in den späten Sechzigerjahren schon gestört, wenn Models in kurzen Röcken vor einem Fenster stehen, durch das man eine Rakete aufsteigen sieht? Phallischer geht es kaum.

Dennoch landet die Helmut Newton Stiftung mit ihrer neuen Ausstellung einen echten Coup: „Pages from the Glossies“ ist nicht einfach ein Bilderbuch, das der 2004 verstorbene Fotograf sechs Jahre zuvor in einem Schweizer Verlag herausgab und dessen Seiten nun als vergrößerte Prints die Wände füllen. Die schwarz-weißen oder farbigen Modestrecken reflektieren die Ästhetik einer vergangenen Ära.

Newton tobt sich in der Mode aus, in artifiziellen Kompositionen wie 1969 für das britische Magazin „Queen“, in dem er aus der militärisch inspirierten Haute Couture eines Yves Saint Laurent eine Geschichte über Zucht und Erotik arrangiert. Ob „Vogue“, „Elle“ oder „Stern“: Ab Mitte der Fünfziger wurde er immer wieder gebucht. Oft für längere Bildgeschichten oder illustrierende Stories zu Essays von versierten Autoren. So kommen an die 230 Seiten zusammen, in denen sich Newtons Motive mit Texten und Typografie überlappen. Sie zeigen, dass der Künstler bei aller Überdrehtheit der Szenen im Kosmos seiner Zeit agiert.

Frühe Aufträge erzählen am deutlichsten davon. Strecken wie „Mata Hari“ oder „James Bond“, in denen die Modefotos die Mythen von den unwiderstehlichen Agenten nacherzählen. Erst später löst sich Newton von solch populären Vorbildern, um selbst Geschichten zu erfinden. Immer mit erotischem Unterton und anfangs noch sehr dem Schema der Raketen-Strecke verhaftet: der weibliche Körper als Ziel männlicher Fantasien.

Doch bald agieren die Models im Dialog mit dem Fotografen. Eine schwarz-weiße Strecke zeigt Newton selbst, wie er Frauen in Unterwäsche fotografiert. Spielerisch wie immer kehrt er den Arbeitsaspekt der Session hervor und macht es dem Betrachter unmöglich, sich als Voyeur im intimen Boudoir zu imaginieren.

Pool und Streifen. Helmut Newtons Modefotos reflektieren die Ästhetik einer vergangenen Ära.
Pool und Streifen. Helmut Newtons Modefotos reflektieren die Ästhetik einer vergangenen Ära.

© Helmut Newton

So kunstverliebt manche Szenen sind, wenn Nackte am Handgelenk Uhren vorführen und mit den Armen gleichzeitig die Brüste abdecken oder Nadja Auermann ein wenig eingeschränkt wirkt, weil sie diverse Hilfsmittel aus dem Sanitätshaus tragen muss – die Aufnahmen richten sich meist an ein weibliches Publikum. Mit einer gewissen Role-Model-Funktion, die mit der Zeit immer offensichtlicher wird. Newtons Models, wie sexy auch immer, strahlen eine ungeheure Selbstgewissheit aus. Sie stehen längst auch nicht so häufig auf High Heels wie auf Newtons legendären Bildern, an denen man sich ein bisschen sattgesehen hat. Sondern sie verkörpern einen Typus Frau, der Eleganz und Emanzipation ausstrahlt – weit bevor letztere in der breiten Gesellschaft angekommen war.

Flankiert wird die Schau von einem guten Dutzend Porträts des US-Amerikaners Greg Gorman, der ein Freund von Newton war. Er hat Prominente wie Robert de Niro, Jodie Foster oder Grace Jones fotografiert, die man sich gern anschaut. Ein Bild aber bleibt haften: Michael Jackson in den Achtzigern, mit Strickstulpen an den Füßen, offenem Hemd und ansonsten verletzlich nackt. Dieser Moment geht wirklich unter die Haut.

Helmut Newton Stiftung, Jebensstr. 2, Charlottenburg; bis 22.5., Di/Mi/Fr 10–18 Uhr, So 10–20 Uhr, Sa/So 11–18 Uhr

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