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Dave Gahan, Zampano und Rampensau bei Depeche Mode.

© AFP/Fabrice Coffrini

Depeche Mode in der Berliner Waldbühne: Glück für die Massen

Zum Finale ihrer Welttour kehren Depeche Mode nach Berlin zurück. Es wird ein Freudenfest mit Ansage. Doch richtig Schluss ist erst am Mittwoch.

Es gab ein Gerücht. Vielleicht, ganz vielleicht würden die zwei Abende mitgeschnitten. Für einen Konzertfilm. Schließlich endet mit den Auftritten am Montag und Mittwoch doch eine Welttournee, die bislang erfolgreichste der Bandgeschichte. Was dafür sprach: Die legendäre Dokumentation „101“, die für Depeche-Mode-Fans einen quasi-religiösen Status hat, ist jetzt genau 30 Jahre alt und zeigt ja ebenfalls ein Tourfinale. Weiteres Indiz: Anton Corbijn wurde am Wochenende in Berlin gesichtet. Der befreundete Fotograf, der schon zig Musikvideos der Band gedreht hat. Montagabend Indiz Nummer drei: Vor der Bühne stehen tatsächlich Kameras ...
Die „Global Spirit Tour“ läuft seit Frühjahr vorigen Jahres. 130 Auftritte, 2,5 Millionen Besucher. Sie hat die Band auch mehrfach nach Berlin geführt: im Juni 2017 ins Olympiastadion, im Januar für zwei Abende in die Arena am Ostbahnhof. Man muss sich das mal vorstellen. Bei den Waldbühnenabenden handelt es sich um die Wiederholung einer Wiederholung des Berlin-Konzerts dieser Tour. Die Songauswahl ist ziemlich gleich geblieben. Wird’s nicht öde? Vielleicht bei einer sterblichen Band.

Der begnadetste Tänzer von allen

Selbstverständlich ist auch die Wiederholung der Wiederholung ausverkauft. Dave Gahan hat die Menge unmittelbar im Griff. Das junge „Going Backwards“ als Opener, dann bald schon „Barrel Of A Gun“, erster Hit nach seiner Heroinsucht. Gahan wirbelt. Ist immer noch Zampano, Derwisch, Rampensau. Und natürlich der begnadetste Tänzer unter allen Popsängern dieser Erde. Selbst wenn er die Extremitäten zum Ententanz anwinkelt, sieht es elegant aus.

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Fans mit schlechtem Erinnerungsvermögen haben es an diesem Abend am besten. Die anderen erleben ständig Déjà-vus. Wie Gahan bei „World In My Eyes“ die Arme zu Schwingen ausbreitet, als wäre er ein prachtvoller Schwan. Wie er exakt nach diesem Lied erstmals das Publikum begrüßt. Oder wie er bei „Everything Counts“ den Mikrofonständer auf den Kopf stellt und damit auf den Bühnenboden klopft. Alles schon 128 Mal gemacht. Aber egal, es berührt. Als Dave Gahan gegen Ende „Berlin, you are the best“ ruft, hält man es kurz für denkbar, dass er es tatsächlich so meinen könnte.

Grünes Schaf, blaues Schwein, rote Kuh

Die Maschine Depeche Mode spuckt nun einen Hit nach dem anderen aus. „Home“, „In Your Room“, „I Feel You“ ... Zu „Enjoy The Silence“ grüßen riesige, warholesk eingefärbte Nutztiere von der Leinwand. Knallgrünes Schaf, blaues Schwein, rote Kuh. „Words are meaningless and forgettable“, singt Gahan, das Vieh ist Kronzeuge. Dann dreht das wildeste Tier von allen noch ein paar Pirouetten, während vor ihm 20 000 Ausgeflippte Arme schwenken. Wie glückselig diese Band macht. Ihre Konzerttickets sollten von Krankenkassen bezahlt werden, für alle, die Endorphine brauchen.

Ein Hoch auf die Kunstnebelmaschine

Weniger glücklich verlief zu Beginn des Abends der Auftritt der Vorband Deutsch Amerikanische Freundschaft, kurz DAF. Die Electro-Punk-Veteranen aus dem Umfeld des Ratinger Hofs. Frontmann Gabi Delgado, 60, hat sein Hemd zu weit aufgeknöpft, spricht das Publikum penetrant als „Jungs und Mädchen“ an und rattert sexuell aufgeladene Texte runter, die vor Urzeiten sicher mal weniger lustmolchig geklungen haben. Das Duo wirkt wie einem Kuriositätenkabinett entflohen. Heftigen Applaus gibt es erst, als Delgado „So, das war’s“ sagt und erklärt, dass er wegen des strikten Zeitplans keine Zugabe spielen dürfe. Danach starten Fans minutenlang die Welle. Beklatschen Bühnentechniker beim Umbau. Feiern sogar den Testlauf der Kunstnebelmaschine.
Natürlich ist auch das Konzert am Mittwoch, das nun tatsächlich allerletzte der Tour, längst ausverkauft. Wer keine Karte hat, muss bis 2021 warten, da bringt die Band ihrem Vierjahresrhythmus gemäß das nächste Album raus und geht wieder auf Welttour. Oder man wartet auf den Konzertfilm. Den nämlich, das verrät ein Anruf beim Veranstalter, wird es tatsächlich geben. Und ja, Anton Corbijn ist wirklich federführend. Dank ihm können sich die Fans bald eine Wiederholung der Wiederholung der Wiederholung geben. Es wird natürlich großartig werden.

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