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Mikael Persbrandt spielt Helmer jr., den Sohn des miesepetrigen schwedischen Arztes aus den ersten Staffeln.

© Zentropa/Christian Geisnaes

„Geister“-Serie von Lars von Trier: Die spinnen, die Dänen

Der Däne Lars von Trier hat doch noch eine dritte Staffel seiner verrückten Hospital-Serie gedreht. „Geister – Exodus“ läuft jetzt in ausgewählten Kinos.

Seine Hände zitterten stark in der Videobotschaft, die Lars von Trier der dritten Staffel seiner „Hospital der Geister“-Serie vorausschickte, als sie letztes Jahr in Venedig uraufgeführt wurde. Der dänische Ausnahmeregisseur hat Parkinson. Auch über seine Alkoholsucht und seine psychischen Probleme spricht er inzwischen offen.  

Dennoch lässt er in den fünf Episoden von „Geister – Exodus“ eine gewisse Diskretion walten. Tritt er doch nicht mehr wie in Staffel Eins und Zwei von 1994 und 1997 am Ende jeder Folge als sarkastischer Kommentator des eigenen Werks vor die Kamera, sondern versteckt sich hinter einem Vorhang mit baumelndem Adventskranz. Nur seine Schuhe lugen hervor. 25 Jahre hätten Spuren hinterlassen, gesteht der Filmemacher, und mokiert sich über die „unerträgliche Eitelkeit des jungen Lars von Trier“.

Mit Sarkasmus in eigener Sache fängt es auch an. „Geister“-Fan Karen (Bodil Jørgensen) ist sauer auf den Regisseur, die alte Frau liegt im Bett und hat gerade die zweite Staffel zu Ende geguckt. Nicht zu fassen, dieses offene Ende. Sie sorgt sich um die Geister im „Riget“, im Reichskrankenhaus.

Unversehens steht die Schlafwandlerin in Puschen und Morgenrock vor der Riesenklinik in Kopenhagen und erkundigt sich nach Frau Drusse, jener Spiritistin und Spinnerin, die in den Neunzigern das Hospital aufgemischt hatte. Unsinn, sagt der Mann am Empfang, die gibt’s doch nur in der blöden Serie von diesem Idioten von Trier.

Die Klinik hatte damals ein Imageproblem, denn von Trier bevölkerte seine vom „Twin Peaks“-Hype inspirierte Krankenhaus-Horrorserie mit Untoten, Wiedergängern und Satanisten, Monstern und Missgeburten, mit vielen bösen und einigen wenigen gutmütigen Geistern. So mancher Patient ließ sich hier nur noch ungern behandeln.

Die giftigen Dämpfe der Sümpfe, in denen in alten Zeiten Stoffe gebleicht wurden, so der in „Geister – Exodus“ erneut beschworene Mythos, hatten dem Gebäude Risse beschert. So konnte die Unterwelt eindringen, um Rache zu nehmen an einer medizinischen Wissenschaft, die dem Spirituellen keinen Raum mehr ließ.

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Die gute alte Karen muss feststellen, dass sich wenig geändert hat im Hospital. Zum Glück für die Zuschauer, denn Staffel Drei ist so durchgeknallt und schwarzhumorig böse wie die früheren Folgen. Mit weniger Splatter- und zunehmend satirisch-grotesken Elementen, jedoch kein bisschen milder: Am Ende der fünf Stunden Laufzeit wird nicht nur der Adventskranz lichterloh brennen.

Ein Mordsspaß. Wer Probleme mit von Triers Kinofilmen hat, mit dem Frauenbild in „Breaking the Waves“, „Dogville“ oder „Nymphomaniac“, mit den Gewaltexzessen in „Antichrist“ und „The House that Jack built“, kann sich hier mit dem Enfant terrible des europäischen Autorenfilms locker versöhnen.    

Der Plot? Ist wieder ein Verwirrspiel. In der Sumpfnebellandschaft unter dem Fundament droht Lillebror (Udo Kier), Spross der Assistenzärztin Judith und des Teufels aus den früheren Episoden, im Teich seiner eigenen Tränen zu ertrinken. Karen, die als sein Medium fungiert, muss ihn zusammen mit Krankenpfleger Bulder unbedingt retten, denn Lillebror sorgt als Torwächter für Frieden im Geisterreich. Zu Weihnachten, Schlag Mitternacht, droht auf Betreiben des Unterweltfürsten Grand Duc (Willem Dafoe) die Invasion und endgültige Machtübernahme der bösen Geister.  

Im Krankenhaus mehren sich die unheilvollen Zeichen, trotzdem sind alle mit sich selbst beschäftigt. Das neue Serien-Personal erweist sich als ebenso abstrus wie das aus den Neunzigern, einige von damals sind noch dabei. Rigmor Mortensen (Ghita Nørby) zum Beispiel, sie drangsaliert als „Juhu“ rufender Fahrstuhltroll den menschenscheuen Oberarzt Pontopidan (Lars Mikkelsen). Der hat zwar eine „Politik der offenen Türen“ ausgerufen, verschanzt sich aber lieber in seinem Zimmer und hangelt sich mühsam an der Fassade hoch, nur um Rigmor zu entgehen.

Lars von Trier überdreht die Political Correctness ins restlos Absurde

Auch Assistenzarzt Krogen kennt man bereits, er kurvt wieder als Zombie mit Roller durch die Etagen. Hybris, Mobbing, Kunstfehler und Schlendrian sind an der Tagesordnung, von den Tellerwäschern in der Kellerküche (einer ist inzwischen ein Roboter) erneut wie von einem griechischen Chor kommentiert. Der Klinikdirektor spielt am Computer vorzugsweise Patience, die IT-Crew sorgt mittels Einstellung auf Kinder-Level dafür, dass ihm ab und zu eine gelingt. Der gute alte Dänen-Schweden-Hass ist sowieso nicht unterzukriegen.

Als Helmer jr. (Mikael Persbrandt), der neue schwedische Chefarzt in der Neurochirurgie eintrifft, bekommt er erstmal einen Inbusschlüssel in die Hand gedrückt, um seine Ikea-Büromöbel zusammenzuschrauben, mit köstlich misslingenden Ergebnissen.

Wenn Dänen Schweden mobben: Mikael Persbrandt (M) als neuer Oberarzt muss sich von den dänischen Ärzten im Reichskrankenhaus (Danica Curcic, Nikolaj Lie Kaas) blöde Späße gefallen lassen.
Wenn Dänen Schweden mobben: Mikael Persbrandt (M) als neuer Oberarzt muss sich von den dänischen Ärzten im Reichskrankenhaus (Danica Curcic, Nikolaj Lie Kaas) blöde Späße gefallen lassen.

© Zentropa/Christian Geisnaes

Als Nächstes wird der vaterkomplexbehaftete Sohn von Ernst-Hugo Järegards Helmer aus den ersten Staffeln Opfer einer Trinkwette um dänische und schwedische Kulturgrößen. Also schließt er sich der SA (Schweden Anonymous) an, einer veritablen Terrorgruppe, die in klandestinen Meetings Sabotageaktionen ausheckt. Und auf der Toilette empfängt Alexander Skarsgard als einziger schwedischer Anwalt im Haus seine Klienten. Im Sexismus-Rechtsstreit vertritt er beide Seiten, denn beide sind seine Landsleute.

Lars von Trier wäre nicht Lars von Trier, würde er nicht auf den Nationalsozialismus anspielen (wegen einer provokanten Hitler-Bemerkung war er in Cannes lange eine „persona non grata“) und sich nicht über die Wokeness unserer Tage mokieren. Bei den Patientenakten führt Helmer Gender-Neutralität ein, mit dramatischen Verwechslungsfolgen, beim Flirt mit der Krankenschwester sieht er sich mit der juristischen Aushandlung der Einvernehmlichkeit konfrontiert.

Die Sympathien des Regisseurs mögen ein bisschen mehr bei den ach so schikanierten Männern liegen. Aber Lars von Trier überdreht die Political-Correctness-Schraube derart ins Absurde, dass jedweder Rigorismus Lügen gestraft wird.

Bildauflösung im Dogma-Style, extrem grobkörnige Bilder, Reißschwenks, Vagabundieren in den Klinikfluren oder im Aufzugsschacht – die Handkamera spukt selbst wie ein Gespenst im Hospitel herum. Lars von Trier erinnert uns einmal mehr daran, dass das Unheimliche und Irrationale unser Leben mehr prägt, als wir glauben möchten. Die Welt wäre noch schlechter, wenn wir von allen Geistern verlassen würden.  

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