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Beim Gallery Weekend zählt beides, die Kunst und das Publikum. Die Galerie Capitain Petzel ist seit Langem dabei, 2019 zeigte sie Bilder von Stefanie Heinze.

© Stefan Korte / Gallery Weekend Berlin

Frisches Blut: Das Gallery Weekend Berlin feiert seinen 20-jährigen Geburtstag

Erst wollten sich die Galerien auf ihre eigenen Räume besinnen und der Stadt mehr Glamour einhauchen. Daraus ist Berlins wichtigstes Kunstevent des Jahres geworden.

Am Anfang war die Unlust. Ein Überdruss, der sich zwischen Basel, São Paulo und Miami formierte. Immer reisen, in öden Messeständen stehen und Kunst von dünnen, weiß gestrichenen Wänden verkaufen. Dabei hat man zu Hause in Berlin die schönsten Ausstellungsräume.

Das klingt wie ein Luxusproblem, wurde aber um 2005 zur existenziellen Frage. Oft wisse er gar nicht mehr, klagte damals Galerist Martin Klosterfelde, in welcher Stadt er gerade sei. Unter den vielen internationalen Kunstmessen, an denen man inzwischen teilnehmen müsse, leide die Arbeit in der eigenen Galerie. Diese Ratlosigkeit hielt allerdings nicht lange an, Berlins Kunstszene war damals schon selbstbewusst genug, um eine Alternative zu kreieren: Vor zwei Jahrzehnten fand das erste Gallery Weekend in der Hauptstadt statt.

55 Teilnehmer und ein riesiges Rahmenprogramm

Es war ein kleines Event, gemessen an der Aufregung, die das jährliche lange Wochenende von Berliner Galerien inzwischen verursacht. Diesmal findet es vom 26. bis 28. April statt, hat 55 offizielle Teilnehmer, mit Antonia Ruder eine neue Direktorin – und ein unfassbar breites Rahmenprogramm, das es großenteils gar nicht verantwortet (Berlin Kultur, Seite 22/23). Institutionen eröffnen neue Ausstellungen, unzählige andere Galerien veranstalten Vernissagen als sidekick. Dem Sog kann sich niemand entziehen, nicht einmal zu Biennale-Zeiten in Venedig. Im Gegenteil: Das Weekend zieht nach wie vor Sammler und Sammlerinnen von überall an, und wer jetzt ohnehin schon einmal in Europa ist, der nimmt mindestens beide Termine wahr. Wie konnte es so weit kommen?

Es hat auf jeden Fall mit seinen Initiatoren zu tun. Klosterfelde schloss seine Räume 2013. Max Hetzler, Alexander Schröder (Galerie Neu), Tim Neuger (Galerie Neugerriemschneider) und Esther Schipper jedoch waren damals schon wichtige Akteure. Heute zählen sie zu den global agierenden Galerien, genau wie Konrad Fischer, Buchholz oder Sprüth Magers mit Dependancen in London, Los Angeles und New York. An ihren Ausstellungen kommt man nicht einfach vorbei.

Es ist aber auch eine Frage der Strategie. 2005 machten gut zwanzig Kollegen beim Gallery Weekend mit. Heute sind es mehr als doppelt so viele, und trotzdem gäbe es zahllose Anwärter in Berlin, deren Galerietätigkeit absolut auf Augenhöhe rangiert. Dennoch bleiben die Newcomer überschaubar: Mit Noah Klink, Schiefe Zähne oder Heidi sind in der Vergangenheit spannende Neugründungen dazugekommen, in diesem Jahr nimmt erstmals Molitor teil; eine junge Galerie auf der Kurfürstenstraße, die ab Ende nächster Woche Arbeiten der US-amerikanischen Künstlerin Lisa Jo zeigt.

Die Kunst der Verknappung

Ein bisschen frisches Blut, die Kunst der Verknappung und Berlins Potenzial der vergangenen Jahre – dank dieser Mischung ist das Weekend auch nach zwei Jahrzehnten noch erstaunlich frisch. Eine Galerie wie Konrad Fischer hat 2019 noch spektakuläre neue Räume in einem Industriedenkmal gefunden, Ebensperger zog erst jüngst in den Fichtebunker in Kreuzberg um. Hier, in der eigenartig dumpfen Atmosphäre, hängen in wenigen Tagen Werke unter anderem der grandiosen Fotografin Gundula Schulze Eldowy.

Sebastian Klemm wird seine künftige Adresse auf der Leipziger Straße so gerade für eine Gruppenschau hergerichtet haben. Und die legendäre Galerie Barbara Weiss heißt nun Trautwein Herleth: Acht Jahre nach dem Tod der Galeristin wagen Bärbel Trautwein und Daniel Herleth eine Umbenennung, weil sie dem Ort in der Vergangenheit ihren eigenen Stempel aufgedrückt haben.

Neue Formate im Herbst zur Berlin Art Week

Alles bleibt neu, so lässt sich das Prinzip am ehesten zusammenfassen. Mit den Ansprüchen wuchs das Team, Maike Cruse stieg als Direktorin ein und sicherte dem Gallery Weekend unvergessliche Orte für sein Dinner in der Empfangshalle des Flughafens Tempelhof oder in der expressiven Kulisse des Landgerichts Mitte.

Antonia Ruder, die die Aufgabe im November 2023 übernommen hat, hegt ebenfalls Pläne, was den „Ausbau und neue Formate“ vor allem im Herbst während der Berlin Art Week anbelangt, will aber das Konzept unangetastet lassen, gerade weil es perfekt funktioniert. Ohne die herausragende Kunst, die hier alljährlich aufs Neue und immer auf höchstem Niveau, aktuell mit Namen wie Andy Warhol (Galerie Bastian), Tony Cragg (Galerie Buchmann), Cornelia Schleime (Galerie Judin) oder Rosemarie Trockel (Galerie Crone), zu sehen ist, wäre dies alles aber nichts. Das gehört untrennbar zur Erfolgsgeschichte des Gallery Weekend dazu.

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