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Das „Raumschiff“, wie Berliner das ICC auch nennen, soll nach jahrelangem Leerstand saniert und neu genutzt werden.

© imago/Jürgen Ritter

Franziska Giffey irrt sich: Das ICC ist kein Kulturort für alle

Es fehlt die Gesellschaftsutopie: Das ICC war nie und wird nie eine Schwester des Pariser Centre Pompidou sein.

Ein Kommentar von Nikolaus Bernau

Das Pariser Centre Pompidou ist ein Must See, das moderne Pendant zu Notre Dame, Louvre und Eiffelturm. Mehr als 10 .000 Besuche wurden im Vor-Corona-Jahr 2019 pro Öffnungstag gezählt. Also preist auch Franziska Giffey das CP als Vorbild für den Umbau des Berliner ICC zu einem „Ort für Kunst, Kultur und Kreativität“.

Schon oft wurde das CP in Berlin als Rollenmodell beschworen, etwa beim Humboldtforum oder beim Museum der Moderne. Aber erreicht wurde dies Vorbild nie. Übersehen wird nämlich immer wieder, dass es mehr ist als nur ein Kulturort. Es ist eine gebaute Gesellschaftsutopie, in der Penner, Arbeiterkinder, Einwanderer:innen und das gehobene Bürgertum zusammenkommen sollen.

Deswegen steht das CP mitten in Paris, in einem Wohnviertel, an einer Fußgängerzone, ist mit Regional-, Fern- und U-Bahn gut erreichbar auch für die Bewohner der Vororte, ist multifunktional bis in die letzte Halle hinein. Das Berliner ICC dagegen ist ein monofunktional für Kongresse geplanter Koloss am Rand der Innenstadt, mitten auf einer Verkehrsinsel, fern der Menschen in Marzahn, Lichtenrade oder Tegel.

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Das ICC verfällt systematisch seit 25 Jahren

Der Utopie „Kultur für alle“ wegen finanziert der französische Staat den Betrieb des CP mit jährlich etwa 120 Millionen Euro. In Berlin dagegen sollen die künftigen Betriebskosten des ICC offenbar die Nutzer tragen. Kennen Sie ein Kulturzentrum, das sich selbst finanziert? Genauso grotesk sind die Baukostenkalkulationen.

Das ICC und das CP müssen beide saniert werden, eingeplant sind hier wie dort 200 Millionen Euro. Aber das CP ist mit 10.300 Quadratmetern kaum halb so groß wie das ICC, hat eine weit klarere Baukonstruktion und wurde um 2000 bereits grundlegend saniert. Die Berliner dagegen lassen ihr ICC seit 25 Jahren systematisch verfallen. Der Architekt Thomas Willemeit hat eine Milliarde kalkuliert und liegt damit wohl realistisch.

Das Geld lohnte trotzdem, des Klimaschutzes, der Marke, der Bedeutung des ICC wegen. Doch braucht es für eine solche Investition eine Utopie, eine Idee, was das ICC über die schieren Funktionen hinaus sein könnte.

Einst war das die Vorstellung von Berlin als Weltstadt der Kongresse. Heute dagegen ist der Berliner Senat sogar stolz darauf, keine Idee für das ICC zu haben, delegiert ihre Findung an „die Kreativen“ – die dann prompt poppige Dachtanzfestivals für ihre Klientel vorschlagen. Statt eine gesamtgellschaftliche Idee zu entwickeln wird in Berlin lieber eine scheinbar billige Sanierung geplant und eine Zwischennutzung arrangiert, die das Gebäude noch mehr zernutzt – bis es wirklich abrissreif ist.

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