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Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) zeigt am 03.09.2015 in Berlin während einer Pressekonferenz zum Ideenwettbewerb für das Museum des 20. Jahrhunderts auf einem Luftbild auf den Platz am Kulturforum, der als Bauplatz vorgesehen ist.

© Soeren Stache/dpa

Ideenwettbewerb zum Museum der Moderne: Es werde Baukunst

Von der drängendsten Brache der Stadt zum schönsten Baufeld: Der Ideenwettbewerb für das Museum der Moderne am Kulturforum hat begonnen.

Manchmal kann man sein Glück kaum fassen. So geht es Berlin mit der unverhofften Entscheidung des Deutschen Bundestages vom vergangenen November, mal eben 200 Millionen Euro für ein Museum der Moderne bereitzustellen. Mit einem Mal lässt sich das Raumproblem der Neuen Nationalgalerie beheben, die ihre weltbedeutende Sammlung der Kunst des 20. Jahrhunderts bislang nur temporär und teilweise zeigen kann. Sogleich wurde herumgemäkelt, vor allem am geplanten Standort Kulturforum zwischen Matthäikirche und Potsdamer Straße.

Auf den aber haben sich der Bundestag und die treibende Kraft, Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU), festgelegt. Die dortige Fläche, die derzeit dank eines Grundstückstauschs mit einem privaten Teileigentümer sowie der noblen Bereitschaft der evangelischen Kirche zum Verkauf ihrer Restfläche arrondiert wird, bietet mit reichlich zehntausend Quadratmetern Platz genug, um eine Baumasse von 27 700 Quadratmetern, darin einer Hauptnutzfläche von 14 700 Quadratmetern, zu errichten. Die vor dem Überraschungsbeschluss des Bundestags erwogene schlichte Erweiterung der Neuen Nationalgalerie Mies van der Rohes auf einem rückwärtigen, nur halb so großen Grundstück – also nicht eigentlich am Kulturforum – hätte eine deutlich kleinere Baumasse zu allerdings auch nur halb so hohen Kosten zur Folge gehabt.

Senatsbaudirektorin Regula Lüscher spricht von einem "großen Tag für das Land Berlin"

Am Donnerstag nun wurde der Ideenwettbewerb für das Museum des 20. Jahrhunderts ausgelobt. Ab sofort können sich Architekten und Planer weltweit die im Netz unter www.wbw-m20.de veröffentlichten Unterlagen beschaffen und bis Mitte Dezember Entwürfe einreichen. Ministerin Grütters, die gestern gemeinsam mit den Verantwortlichen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und der Staatlichen Museen, des Landes Berlin sowie des Vorsitzenden des Preisgerichts den Startschuss zum Wettbewerb gab, zeigte sich zufrieden, aber auch angestrengt ob der heftigen Kritik, die ihr wegen der Standortfestlegung entgegengebrandet war. Senatsbaudirektorin Regula Lüscher, die auf Seiten Berlins zwar nicht die Bauherreneigenschaft innehat, wohl aber das komplizierte Planungsrecht erarbeiten muss, versprach eine schnelle Erledigung dieser Aufgabe.

An Stiftungspräsident Hermann Parzinger war es, den glücklichen Seufzer „Endlich! Endlich, möchte man sagen!“ auszustoßen und die Dimension des Projekts zu umreißen: „Die drängendste Brache der Stadt wird zum schönsten Baufeld.“ Lüscher assistierte, indem sie von einem „großen Tag für das Land Berlin“ sprach und sich zu der Überzeugung bekannte, „dass nur eine starke Nutzung dieses Kulturforum ergänzen kann“, und dass von dem Bau die erhoffte städtebauliche Wirkung auf das ganze Kulturforum ausgehen werde, „ob das nun eine bescheidene Lösung wird oder eine signature architecture, werden wir sehen.“ Das war das Stichwort für den Juryvorsitzenden, den renommierten Stuttgarter Architekten Arno Lederer, der dies als eine „Frage der Baukunst“ bezeichnete und auf dem – bei vielen verpönten – Begriff der Baukunst insistierte. Er gab zudem eine wichtigen Hinweis auf die Berliner Baugeschichte: Gerade Schinkels Altes Museum am Lustgarten zeige, wie Architektur zugleich städtebaulich gedacht werden könne und müsse.

Der Realisierungswettbewerb soll gegen Ende 2016 abgeschlossen sein

Von den Teilnehmern des zweistufigen Wettbewerbs wird ebendies erwartet. Auf die erste Runde, den Ideenwettbewerb mit vermutlich hunderten von Einreichungen, folgt nach der Preisgerichtsentscheidung im Februar 2016 ein „nichtoffener Realisierungswettbewerb“. Dafür ausgewählt werden maximal zwanzig Teilnehmer der ersten Runde, die ausdrücklich auch „jüngerenArchitekten“ offensteht, „die noch keinen größeren Museumsbau realisiert haben“. Hinzu werden etwa zehn etablierte Architekturbüros eingeladen, die eben diese Qualifikation aufweisen. Schließlich wird noch eine Reihe von Teilnehmern über einen gesonderten, EU-weiten Wettbewerb gemäß den Vergaberichtlinien ermittelt.

Der Realisierungswettbewerb soll gegen Ende 2016 abgeschlossen sein. Schließlich muss auf Grundlage des Siegerentwurfs eine Wirtschaftlichkeitsberechnung vorgenommen und seitens des Bundestages als Mittelbewilliger entschieden werden, ob das Museum als behördlicher Eigenbau oder in öffentlich-privater Partnerschaft (ÖPP) von einem Generalunternehmer errichtet wird.

Parzinger malte die Rolle des Museums der Moderne als „Querverbindung zwischen den Anrainern des Kulturforums“

Ja, und dann kann losgelegt werden, und irgendwann gegen 2019 könnte bei günstigem Verlauf die Einweihung gefeiert werden. Stiftungspräsident Parzinger, in zahllosen Diskussionen über das gleichfalls unter seiner Ägide entstehende Humboldt-Forum als Ermunterer geübt, malte die Rolle des Museums der Moderne als „Querverbindung zwischen den Anrainern des Kulturforums“, zwischen Mies-Tempel, Philharmonie und Staatsbibliothek aus. Mit Blick auf die versprochenen, aber auch mit zunehmend mahnenderem Unterton hinsichtlich einer baulichen Lösung offerierten Privatsammlungen Pietzsch, Marx und Marzona betonte Parzinger, es gehe „nicht um ein Sammlermuseen, sondern diese Bestände werden in die Sammlung der Nationalgalerie integriert“. Zugleich wehrte er Überlegungen ab, mit dem Museumsbau auch gleich das Problem der „Piazzetta“, des Zugangs zu den rückwärtig das Kulturforum begrenzenden Museen mit der Gemäldegalerie, lösen zu wollen: „Das ist keine kleine Aufgabe, sondern eine große.“

Darin aber liegt, auch wenn es gestern nicht nochmals angesprochen wurde, eine Hauptschwierigkeit des Museumswettbewerbs. Denn der Neubau muss nicht nur zur Potsdamer Straße hin „gut aussehen“ und das Publikum einladen, er muss eben auch nach allen anderen Seiten hin vermitteln. Zwischen Neubau und Piazzetta muss, mit dem Kleinod der Matthäikirche zwischen ihnen, endlich das entstehen, was mit dem Begriff des Kulturforums unscharf beschrieben ist, aber stes erhofft oder erträumt war: ein Forum für Bürger, ein öffentlicher Stadtraum, ein Raum – um Kant abzuwandeln – „interesselosen Wohlgefallens“.

1959 setzte die Philharmonie den ersten Eckstein zum Kulturforum, 1968 wurde es in seiner heutigen Gestalt beschlossen. Ein halbes Jahrhundert später – nicht eben wenig, aber im Vergleich zu Rom oder Paris nicht außergewöhnlich – winkt die Vollendung, ein Puzzle aus Teilen, die nicht immer zusammenpassen. Aber so ist die europäische Stadt nun einmal, und so könnte das Kulturforum werden: ein lebendiger Organismus.

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