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Der neue Leiter. Bonaventure Soh Bejeng Ndikung vor dem HKW

© Alexander Steffens/HKW

Eine neue Wissenschaft: Das HKW baut sich auf für die Zukunft

Der neue Intendant Bonaventure Soh Bejeng Ndikung macht mächtig Dampf. Sein Programm will die ganze Welt umarmen

Ein Hauch von Frühling weht durch Berlin, die Sonne wärmt die Spaziergänger an der Spree. Im Haus der Kulturen der Welt, das ja einen eigenen Bootsanleger hat, wird ein neues Zeitalter eingeläutet - the age of Bonaventure Soh Bejeng Ndikung. Und man kann schon sagen: Eine solche Pressekonferenz und Programmpräsentation hat die Stadt noch nicht erlebt.

Das große Auditorium im HKW füllt sich. Mitarbeiter des Hauses und Anhang, Vertreter anderer Kulturinstitutionen strömen herein zur coolen Musik der Berliner HipHop- und Soul-Band The Swag. Herrschte früher hier bisweilen eine gewisse intellektuelle Strenge, scheint die Stimmung nun ins Gegenteil zu kippen. Jubel, Applaus, die Belegschaft feiert sich. Der neue Intendant - Bonaventure oder auch nur Bona, wie sie ihn nennen - stellt seine internationalen Kuratorinnen und Kuratoren vor wie Kandidaten einer Quiz-Show.

Leben im Pluriverse

Bonaventure hält seine Rede auf Englisch. Welt sei kein Substantiv, vielmehr ein Verb, sagt er, um die Dynamik zu betonen. Und er spricht vom „Pluriverse“. Universum plus. Und divers. So ist der Ton gesetzt. Mit Emphase verkündet Bonaventure, das neue HKW mache sich die Maxime der Haitianischen Revolution (1791–1804) zu eigen: „Dass jeder Mensch ein Mensch ist, dass wir vor dem Gesetz alle gleich sind und dass kein Menschenleben wichtiger ist als ein anderes.“

Und er konstatiert auch noch einmal im Stil eines zornigen Predigers: „Im Haus der Kulturen der Welt gibt es keinen Raum für Hassreden oder Gewalt jeglicher Art. Es gibt keinen Raum für Altersdiskriminierung, Antisemitismus, Geschlechterdiskriminierung, Homophobie, Islamophobie, Rassismus, Sexismus, Transphobie, Xenophobie und dergleichen.“

All das galt hier schon immer. Bonaventures Vorgänger Bernd Scherer hat das Haus untadelig geführt. Geht es internationaler als international, vernetzter als vernetzt, offener als offen?

Diese Kultur will umarmen

Noch wird gebaut und renoviert. Die Wiedereröffnung ist für den 2. bis 4. Juni angekündigt, mit reichlich Umarmungskultur. Essen und trinken, Ritual und Tanz und Trommeln unter dem Titel „Acts of Opening - Eine Choreographie der Konvivialität“. An das forcierte Kuratorenlatein wird man sich gewöhnen müssen.

Das von Bonaventure und seinem Team umrissene Programm der kommenden Jahre changiert zwischen Wohlfühlsachen und konkreten historischen Sujets. In „Echos der Bruderländer“ soll es im Sommer um die DDR und ihren Einfluss in Kuba, Mosambik und Vietnam gehen. Der Krieg in der Ukraine und der russisch-sowjetische Imperialismus sind Thema einer Ausstellung ab Oktober: „Als hätten wir die Sonne verscharrt im Meer der Geschichten.“ Die Projekte von „O Quilombismo“ beschäftigen sich mit „alternativen demokratisch-egalitären politischen Philosophien“. Max Czollek betreut ein „Versöhnungstheater“ mit diversen jüdischen Themen.

Das neue HKW- Programmteam. Foto: Steffens: HKW

© Alexander Steffens/HKW

Einige Grundlinien zeichnen sich ab. Das HKW will künftig - aber auch das ist nicht vollkommen neu - die Welt nicht aus westlicher Sicht betrachten. Bonaventure spricht in einem anderen großen Zusammenhang von „science after science“, also neuen Formen von Wissenschaft und Wissensübermittlung, wobei er sich auf Naturweisheiten, indigene Praxis und klandestine Netzwerke wie die der Pilze zu beziehen scheint. Er fragt: „Wie können wir die Wissenschaft aus ihrer Bindung an neoliberale kapitalistische Strukturen und geografische Sackgassen befreien?“

Selbstverständlich zieht sich das Bestreben um Dekolonisierung durch die gesamte künftige Arbeit. Bonaventure kann das HKW nicht vollständig neu erfinden. Die großen Themen sind angelegt. Was sich ändert, ist der Stil: lauter, bunter, missionarischer. Und immer auf der richtigen Seite.

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