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Schreibbureau mit exotischem Dekor, Madrider Hofwerkstatt von Karl III. unter
Leitung von José Canops, um 1772.

© Staatliche Museen zu Berlin, Kunstgewerbemuseum / Stephan Klonk

Der Kunsttischler Canops im Berliner Kunstgewerbemuseum: Ich schreibe, also bin ich

Spanische Opulenz. Der Ausstellung „Canops. Möbel von Welt“ im Kunstgewerbemuseum zeigt kunsthandwerkliche Meisterstücke vom Königshof.

Zärtlich streicht die Hand über den Sekretär, ein helles Tuch poliert die ohnehin hochglänzende Oberfläche noch einmal nach. Das Berliner Kunstgewerbemuseum ist so stolz auf seine Neuerwerbung, dass es ein Video auf YouTube hochgeladen hat: Drei Minuten lang sieht man dabei zu, wie das Zylinderbureau von José Canops vorsichtig durch diverse Säle des Hauses gerollt und schließlich frei im Raum aufgestellt wird. Damit seine plastischen Qualitäten, der Korpus aus Mahagoni mit seinen zahllosen Intarsien und die goldenen Beschläge von allen Seiten bewundert werden können.

Solche Opulenz wirkt in einer Zeit, die Schreibmöbel und -utensilien am liebsten verzwergt, geradezu verstörend. Sie macht aber auch deutlich, wie mächtig und staatstragend die Technik der Korrespondenz im 18. Jahrhundert war.

Schrift als Privileg: Wer sich darauf verstand, der demonstrierte sein Können an ungeheuer aufwändig gestalteten Schreibtischen. Wie Karl III. als König von Spanien. Mit seinem Aufstieg 1759 verband sich der Wunsch nach einem neuen Interieur für seine Residenz. Karl verpflichtete den Venezianer Mattia Gasparini als Hofmaler – und José aka Joseph Canops als Leiter seiner ambitionierten Hoftischlerwerkstatt.

Das Ergebnis jener für Canops zwei Jahrzehnte dauernden Kooperation war unter anderem der Paradesaal im Madrider Königspalast. Ein überwältigendes Gesamtkunstwerk aus der Zeit des Rokoko mit Spiegeln, Rahmen, Bodenmosaiken. Und Canops‘ Möbeln, die das kontrollierte Wuchern der Ornamente kongenial ins Dreidimensionale überführen. Dieses Raumerlebnis versucht die gegenwärtige Ausstellung „Canops. Möbel von Welt“ ebenso zu vermitteln wie die Kunstfertigkeit der singulären Stücke.

Dazu gehört das Zylinderbureau aus der Hand des deutschstämmigen Ebenisten, in dem sich alles verdichtet. Canops‘ Talent, seine Ausbildung in Paris, schließlich die Möglichkeiten am Hof eines Potentaten, der – man muss es immer erwähnen – auf der Basis kolonialer Ausbeutung wertvollste Materialien wie Tropenhölzer für Furniere zur Verfügung stellen konnte.

Ein exquisites Stück europäischer Geschichte

Mit dem Ankauf des einzigartigen Bureaus, das vor drei Jahren auf den Markt kam, ist das Kunstgewerbe um ein exquisites Stück europäischer Geschichte reicher. Mit der Ernst von Siemens Kunststiftung, der Rudolf-August Oetker-Stiftung und den Museumsfreunden gelang der Erwerb, ein Forschungsprojekt schloss sich an.

Die Ausstellung liefert mithilfe zahlreicher Leihgaben aus den USA oder München, vor allem jedoch aus dem königlichen Palast in Madrid, nun den Kontext und adelt den nahe Aachen geborenen Kunsttischler, dessen Wirken hier nahezu unbekannt ist.

Möbel von Canops stehen in öffentlichen Sammlungen in San Francisco wie New York. Berlin schließt mit seinem Exponat auf, und es ist ein Erlebnis, das Bilderprogramm aus Blumen und Musikinstrumenten oder die fast abstrakten Wellenmuster in der unmittelbaren Anschauung zu erkunden. Die Epoche wird gegenwärtig dank weiterer Möbel und einiger multimedialer Stationen, die Canops einordnen. Sie platzieren ihn neben dem ungleich prominenteren Ebenisten und späteren französischen Hofmöbelkünstler Jean-Francois Oeben, der als Johann Franz von Heinsberg ebenfalls nach Paris emigrierte, weil die deutsche Zunftordnung jungen Talenten die Karriere verbaute.

Ein weiterer Videoclip zeigt den modernen Modellbau, ein dritter entführt per Panoramaprojektion in den Prunksaal des königlichen Palastes. Die digitale Version von „Roubo“, dem Pariser Standardwerk zum Möbelbau im 18. Jahrhundert ermöglicht schließlich den Vergleich mit Interieur auf der Höhe seiner Zeit. Bloß den Begriff muss man selbst recherchieren: Zylinderbureaus heißen die Objekte, weil sie im Gegensatz zum Pulttisch eine gerundete Abdeckung haben, die sich nach oben schieben lässt und im Korpus verschwindet.  

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