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Der Autor Valentin Moritz. Bei zukünftigen Lesungen von „Oh Boy“ wird er nicht mehr dabei sein. Sein Beitrag wurde aus dem Sammelband entfernt.

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Debatte um Sammelband „Oh Boy“: Der Verlag stoppt die Auslieferung des Buches

Obwohl die Betroffene ihn bat, nicht darüber zu schreiben, schildert Mitherausgeber Valentin Moritz in dem Buch seinen sexuellen Übergriff. Der Verlag reagiert nun und teilt mit: Er wusste Bescheid.

Vier Wochen lang stand der Boykottaufruf einer Userin namens „y_walove“ relativ unbemerkt unter dem Instagram-Post des Kanon-Verlags zur Veröffentlichung von „Oh Boy“. In dem Buch sind 18 Abhandlungen verschiedener Autorinnen und Autoren zum Thema Männlichkeit versammelt, „mutige Selbstbefragungen“ nennt es der Verlag. Auch der Mitherausgeber Valentin Moritz hat einen Text beigesteuert.

In „Ein glücklicher Mensch“ beschreibt er, wie er zum Täter eines sexuellen Übergriffs auf der Tanzfläche eines Clubs wurde. „y_walove“, die nicht möchte, dass ihr echter Name öffentlich wird, war die Betroffene – und hatte ihn im Vorfeld inständig gebeten, nicht über den Vorfall zu schreiben.

Erst als sie sich Hilfe suchte und im Netz immer mehr Mitstreiter:innen auf den Fall aufmerksam machten, reagierten der Verlag und auch der Autor, der die Kommentare der Frau nach deren Aussage vorher noch gelöscht und ihren Account blockiert hatte.

Am Abend des 18. August veröffentlichte der Verlag dann schließlich ein Statement auf seiner Website. Man habe „die letzten Tage und Stunden genutzt, um die Entscheidung der Veröffentlichung des Textes ,Ein glücklicher Mensch‘ gründlich zu überdenken und sei zu der Erkenntnis gelangt, dass die Veröffentlichung ein Fehler war.“ Man habe die Auslieferung des Buches gestoppt – alle digitalen Formate von „Oh Boy“ werde es nur noch ohne „Ein glücklicher Mensch“ geben.

Der Verlag will das Gespräch mit der Betroffenen suchen

Valentin Moritz erklärte in einer eigenen Stellungnahme, dass er mit der Erzählung „zu einem offeneren und ehrlicheren Umgang mit dem Thema sexualisierte Gewalt gegenüber Frauen und männlicher Täterschaft“ habe beitragen wollen. Es sei „ein literarischer Versuch gewesen, die Abwehr- und Schweigespirale – die insbesondere unter cis-heterosexuellen Männern herrscht – zu durchbrechen“.

Dass sich eine Person in dem literarischen Text wiedererkannt und derart getroffen gefühlt habe, tue ihm leid. Da der Boykottaufruf nun das ganze Buch treffe, habe er beschlossen, sich aus dem Projekt zurückzuziehen, auch in der Hoffnung, dass Veranstalter geplante Lesungen mit anderen Autoren des Buches nicht absagen würden. Der Entschluss des Literaturhauses Rostock, eine Lesung für den 18. September aus dem Programmplan zu streichen, hatte zuvor für Medienaufmerksamkeit gesorgt und damit den entscheidenden Ausschlag für die Debatte gegeben.

Der Kanon Verlag machte in seinem Statement zudem öffentlich, dass Valentin Moritz die Verantwortlichen vorab darüber in Kenntnis gesetzt habe, dass die Betroffene des Übergriffs keine Veröffentlichung des Textes wünsche.

„Die Herausgebenden und der Verlag haben darauf intensiv darüber diskutiert, ob es nicht doch einen Weg geben könnte, dem Nein der Betroffenen zu entsprechen und einen Text über ein Tabuthema zu ermöglichen, in dem es um Scham, Reue und Prägungen geht. Solch einen Weg sahen wir im dann publizierten Text ,Ein glücklicher Mensch‘. Doch dieser Weg erweist sich als nicht richtig. Das ist uns, leider viel zu spät, klar geworden.“ Man werde nun das Gespräch mit der Betroffenen suchen.

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