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Parlamentspalast, früher „Haus des Volkes“ (Casa Poporului), in Bukarest.

© Unsplash / Ondrej Bocek

Debatte um sozialistische Kulturpaläste: Der Palast der Republik ist weg. Und wie lief es anderswo?

Das Humboldt Forum lud zur Debatte über sozialistische Kulturpaläste ein. Manche sind abgerissen, andere haben in neuen Zeiten neue Bedeutung erlangt.

In der DDR soll es nach Angaben des „Lexikons der Kunst“ mehr als 1000 Kulturhäuser gegeben haben. Auch der Palast der Republik galt seines großen Saals und des mit Kunst ausgestatteten Foyers wegen als „Kulturpalast“.

Es machte also Sinn, dass sich das an seiner Stelle errichtete Humboldt Forum am Wochenende mit diesem Bautypus beschäftigte, passend zum Staatsfeiertag der DDR am 7. Oktober und durchaus passend zu seiner selbst gestellten Aufgabe, Ort der Debatte über die Dekolonisierung zu sein.

Kulturpaläste gehören zum wichtigsten Erbe der untergegangenen sozialistischen Staaten. Entstanden, wie der Architekturhistoriker Thomas Flierl skizzierte, aus den Arbeiterclubs, Gewerkschafts- und „Volkshäusern“ der Arbeiterbildungsbewegung Westeuropas. Sie erlebten ihren ersten Aufschwung nach der Etablierung der Sowjetunion in den 1920er-Jahren.

Symbol kolonialer Macht

Nach 1945 und der Etablierung der sozialistischen Regime in Mittel- und Osteuropa wurden sie systematisch zu Instrumenten der stalinistischen Kultur- und Bildungspropaganda ausgebaut und wie in Riga oder Warschau zum Symbol des durchaus kolonialen Machtanspruchs der Sowjetunion.

Der Kultur- und Wissenschaftspalast (Pałac Kultury i Nauki, PKiN) in Warschau.
Der Kultur- und Wissenschaftspalast (Pałac Kultury i Nauki, PKiN) in Warschau.

© Unsplash / Valentyn Chernetskyi

Sie alle haben nach sowjetischem Vorbild große, auf ein Podium ausgerichtete Versammlungssäle für Versammlungen, Kino- und Filmvorführungen, Ballett, Konzerte und Oper – offenbar aber selten für das Theater, das schneller subversiv werden kann. Oft versehen mit vielen kleineren Veranstaltungsräumen und möglichst hochwertiger, selbstverständlich linientreuer Kunstausstattung. Aber es fehlen in diesen Bauten fast immer Räume für Bibliotheken, Museen oder Kunstausstellungen, den klassischen Instrumenten einer eigenständigen, kritischen Bildungserfahrung.

Orte linientreuer Kultur

Kulturpaläste unterschieden sich damit fundamental etwa vom Pariser Centre Pompidou oder anderen westlichen Kulturzentren, die jedenfalls dem eigenen Selbstbewusstsein nach der kritischen und offenen Debatte um den besseren Weg in die Zukunft dienen. Kulturpaläste dagegen verkündeten eine eindeutige politische Botschaft, den sozialistischen Weg in die Zukunft.

Wie hochpolitisch diese Bauten waren, zeigt etwa der Belgrader „Föderationspalast“: In den 1960ern entstand er als gebautes Aushängeschild Jugoslawiens, von der Sowjetunion in den Formen des „amerikanischen“ International Style gebaut, deutlich angelehnt an die Planungen Oscar Niemeyers für Brasilia und als Demonstration von Titos Führungsanspruchs in der Bewegung der blockfreien Staaten.

Alte Funktion, neue Bedeutung

Entsprechend dominant stehen Kulturpaläste meist im Stadtplan: Für den gigantischen Kulturpalast Bukarests wurden wesentliche Teile der Altstadt und mehr als 40 wertvolle Kirchen abgerissen, in Belgrad entstand der „Föderationspalast“ als Zentrum von Neu-Belgrad. Selbst in kleinen Städten wurden sie möglichst im Stadtzentrum errichtet. Und überall war die Architektur nach Möglichkeit repräsentativ gehalten – im Stalinismus gerne in Form von klassizistischen Tempeln, später wie der heute als Konzertsaal genutzte Dresdner Kulturpalast oder der „Künstlerpalast“ in Minsk in den Formen des International Style, geradezu futuristisch wie die Kulturpalaste in Sofia oder Prag.

Wenn auch der Sofioter Palast zum Shoppingcenter wurde und die meisten Häuser kommerzialisiert sind: Manche haben ihre Funktion behalten und mit der neuen Zeit auch neue Bedeutung erlangt. So wurde der Künstlerpalast in Minsk 2020 in den Protesten gegen den Wahlbetrug des Diktators Lukaschenko zum Zentrum der Opposition, und Russland zerstört seit dem vergangenen Jahr systematisch nicht nur Museen und Bibliotheken, sondern gerade auch die Kulturhäuser und Kulturpaläste ukrainischer Städte. Mehr als 400 dieser für die lokale Kultur und Identität entscheidenden Bauten sollen inzwischen unbrauchbar sein.

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