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Michelle Yeoh gewinnt einen Oscar für ihre Hauptrolle in „Everything Everywhere All at Once“.

© imago/UPI Photo/IMAGO/John Angelillo

Bühne für Botschaften: Alles über Tränen

Bei der Oscar-Gala brach Michelle Yeoh eine Lanze gegen Altersdiskriminierung. Was die Geschichte der Oscar-Dankesreden über Frauenbilder und -rechte verrät.

Eine Kolumne von Christiane Peitz

„Meine Damen, lassen Sie sich niemals sagen, dass Sie Ihre beste Zeit schon hinter sich haben.“ Eine Woche ist es jetzt her, dass die 60-jährige Michelle Yeoh dem Publikum bei der Oscar-Gala diesen kämpferischen Satz zurief. Geht runter wie Butter, wenn frau selber über 60 ist. Die erste asiatische Gewinnerin des Darstellerinnen-Oscars erteilte der Altersdiskriminierung eine Abfuhr. Frauen erleben sie häufiger als Männer, nicht nur in Hollywood.

Guter Anlass für einen Rückblick auf Oscar-Dankesreden von Frauen: Was verraten sie über Frauenrechte und -bilder? Als ich vor Jahren die Verleihung mit Freunden in einem Kino in San Francisco anschaute, sorgte Gwyneth Paltrows tränenreicher Auftritt von 1999 bei den Best-of-Oscar-Zusammenschnitten zur Überbrückung der Werbepausen für die meisten Lacher. Nein, diese Heulsuse, das von Gefühlen überwältigte schwache Geschlecht: wie peinlich, wie komisch.

Zwar datiert Grace Kellys bedauernde Auskunft bei der Entgegennahme des Goldjungen, dies sei eine Nacht, in der sie wünschte, sie würde rauchen und trinken, auf die graue Vorzeit der 1950er Jahre. Aber es sollte lange dauern, bis Stars die Oscar-Bühne nutzten, um diskriminierende Zuschreibungen Lügen zu strafen.

Interessant ist das allmähliche Empowerment und die Verschiebung des Fokus. Die Dokumentaristin Yessica Yu kommentierte ihren Kurzfilm-Oscar 1997 noch klassisch feminin: „Wenn das Outfit mehr kostet als der Film, hat man endlich Neuland betreten.“

Halle Berry sprach 2002 die doppelte Diskriminierung als Frau und als Person of Color an und verwies auf jene, „die immer hinter mir stehen: Jada Pinkett, Angela Bassett, Vivica Fox…“. 2018 meinte Allison Janney: „Das habe ich alles nur mir zu verdanken.“

Stars sind Role Models, im Rampenlicht wächst ihnen Macht zu. Das Publikum will Glamour und bekommt noch etwas anderes, hört den Idolen zu, hört auf sie. Ob Patricia Arquette 2015 gleiche Rechte und gleiche Bezahlung fordert (und Meryl Streep ihr zujubelt) oder Frances McDormand 2018 alle Frauen im Saal bittet aufzustehen, damit die Männer sehen, wessen Projekte endlich realisiert gehören.

Der Fortschritt ist eine Schnecke, Galas können ihm auf die Sprünge helfen. Vor einer Woche hielten die Kameras auch das tränenüberströmte Gesicht von Nebendarsteller Ke Huy Quan fest. „Mom, I just won an Oscar!“: Peinlich war das kein bisschen (und viele Männer sind ja eh näher am Wasser gebaut, als sie je zugeben würden). Für die Sache der Frauen kann es gar nicht genug männliche Heulsusen geben.

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