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Die Aufnahme der israelischen Luftwaffe zeigt ein F-15-Jet nach dem Einsatz gegen iranische Drohnen.

© AFP/-

„Und zwar auf iranischem Boden“: Experten rechnen mit israelischem Gegenschlag

Mit hunderten Drohnen und Raketen hat der Iran Israel angegriffen und hat damit ein neues Kapitel in der Feindschaft der beiden Staaten aufgeschlagen. Experten sind sich sicher: Israel wird zurückschlagen.

Der Iran hat seinen Erzfeind Israel in der Nacht zum Sonntag zum ersten Mal direkt von seinem Staatsgebiet aus angegriffen. Teheran machte damit seine Drohung wahr, den mutmaßlich israelischen Angriff auf die iranische Vertretung in Syrien vor zwei Wochen zu rächen. Eine militärische Reaktion Israels sei nur eine Frage der Zeit, sind sich die von der Nachrichtenagentur AFP befragten Experten einig. Antworten auf die wichtigsten Fragen zu einer möglichen israelischen Reaktion:

Warum wird mit einem israelischen Gegenangriff gerechnet?

Bisher bekämpften sich der Iran und Israel in einer Art Stellvertreterkrieg über Dritte wie etwa die libanesische Hisbollah. Nun feuerte Teheran aber erstmals hunderte Drohnen und Raketen direkt von seinem Territorium aus auf Israel ab. Israel konnte mit Hilfe seiner Verbündeten fast alle Geschosse abfangen.

Dennoch „schreibt dieses Ereignis die Beziehungen zwischen den beiden Rivalen neu“, sagt der französische Sicherheitsberater Stéphane Audrand. Bereits der Israel zugeschriebene Angriff in Damaskus am 1. April, bei dem sieben iranische Revolutionsgardisten getötet wurden, darunter zwei Generäle, überschritt eine Grenze der bisherigen Feindseligkeiten.

Wenn Israel zurückschlägt, dann im gleichen Rahmen: mit militärischen Einrichtungen als Ziel, nicht zivile Gebiete und wahrscheinlich auch nicht wirtschaftliche Ziele.

Sima Shine, Leiterin des Iran-Programms des Instituts für Nationale Sicherheitsstudien (INSS)

„Israel verfolgt traditionell eine Null-Toleranz-Politik, wenn sein Gebiet von einem anderen Staat angegriffen wird“, sagt Audrand. Der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu „kann nicht nicht reagieren“. „Eine israelische Antwort wird kommen, und zwar auf iranischem Boden“, schreibt auch Tamir Hayman auf der Online-Plattform X. Hayman war früher Chef des israelischen Militärgeheimdienstes und leitet nun das Institut für Nationale Sicherheitsstudien (INSS).

Welche Ziele könnte Israel angreifen?

„Wenn Israel zurückschlägt, dann im gleichen Rahmen: mit militärischen Einrichtungen als Ziel, nicht zivile Gebiete und wahrscheinlich auch nicht wirtschaftliche Ziele“, meint Sima Shine, Leiterin des Iran-Programms des INSS und ehemalige Agentin des israelischen Auslandsgeheimdienstes Mossad. Um das Risiko einer Eskalation zu begrenzen, „müssen sich die Israelis mit Angriffen auf konventionelle Ziele begnügen - auf die Orte, von denen Raketen abgefeuert wurden, und auf Drohnenfabriken“, analysiert Audrand.

Wenn Israel sehr heftig reagiert, werden wir wahrscheinlich in eine Situation der Eskalation geraten, die sich ausweiten kann.

Menahem Merhavy, Iran-Experte an der Hebräischen Universität in Jerusalem

Menahem Merhavy, Iran-Experte an der Hebräischen Universität in Jerusalem, weist darauf hin, dass der iranische Angriff offenbar so angelegt war, dass „eine große Zahl von Opfern auf israelischer Seite“ vermieden wurde. Auch Hasni Abidi vom Studien- und Forschungszentrum für die arabische und mediterrane Welt in Genf spricht von einem „kontrollierten“ iranischen Angriff, der „eine starke Reaktion Israels vermeiden soll, die sein Atomprogramm gefährden würde“.

Das iranische Atomprogramm steht seit vielen Jahren im Zentrum der Spannungen zwischen Israel und dem Iran. Israel beschuldigt Teheran, Atombomben bauen zu wollen. Da Netanjahu um sein politisches Überleben kämpfe, sieht Audrand „das Risiko einer Eskalation in der Atomfrage“.

Wie groß ist die Gefahr der Eskalation?

„Wenn Israel sehr heftig reagiert, werden wir wahrscheinlich in eine Situation der Eskalation geraten, die sich ausweiten kann“, befürchtet Meir Litvak vom Zentrum für Iranstudien an der Universität Tel Aviv. Es liege jedoch nicht im Interesse Israels, einen regionalen Krieg mit dem Iran zu beginnen, da das Land bereits Krieg gegen die islamistische Palästinenserorganisation Hamas im Gazastreifen führe. Die längerfristigen Folgen für Israel wären wahrscheinlich katastrophal.

Israel müsse bei seiner Reaktion die Positionen seiner Verbündeten berücksichtigen, die ihm bei der Abwehr der iranischen Angriffe geholfen hätten, sagt Merhavy. „Israel kann nicht ohne Rücksprache mit Washington zurückschlagen“, sagt Shine. „Die Frage ist, ob Israel die Spielregeln brechen wird, indem es offen auf iranischem Boden angreift.“

Hayman rät der israelischen Regierung, bei der Vergeltung auf Zeit zu spielen, um „die andere Partei in Ungewissheit zu lassen“. „Die Zeit ist auf unserer Seite“, schreibt er auf X. „Wir können nachdenken, planen und klug handeln.“ (AFP)

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