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Das Logo des staatlichen russischen TV-Senders „Russia Today“ (RT) ist im Fenster eines Büros des Senders zu sehen.

© dpa/Pavel Golovkin

Ukraine-Invasion Tag 755: Russlands aufwendige Anti-Ukraine-Fakes

Scholz findet deutsche Ukraine-Debatte „peinlich“, EU will russische Gelder für Waffenkäufe nutzen. Der Nachrichtenüberblick am Abend.

Dass Russland in seinem Kampf gegen die Ukraine auch auf Desinformation in den sozialen Medien setzt, um die Führung in Kiew zu diskreditieren, ist bekannt. Im Laufe der Zeit aber haben die russischen Trolle immer ausgeklügeltere Strategien gefunden, um ihr Lügennetz weiterzuspinnen – sogar mit der Rückkehr eines vermeintlichen Protagonisten, wie die „New York Times“ nun schreibt.

Im August, so heißt es in dem Bericht, sei auf YouTube ein Video eines jungen Mannes mit dem Namen Mohamed al-Alawi aufgetaucht. Er bezeichnete sich selbst als Enthüllungsjournalist aus Ägypten und wollte den Zuschauern weismachen, die Schwiegermutter des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj habe eine Villa in El Gouna am Roten Meer gekauft. Nicht nur Kiew bestritt die Geschichte, sondern auch der Eigentümer der Villa. 

Es schien sich bei al-Alawi zwar um eine reale Person zu handeln. Doch weder die Behauptung, dieser sei Journalist, noch seine Identität habe nachgewiesen werden können, schreibt die „New York Times“. Auch habe eine Person mit diesem Namen nie zuvor Artikel oder Videos veröffentlicht.

So weit, so üblich. Doch eines war neu: Die Geschichte war schon fast vergessen, da tauchten zwei neue Videos auf, in denen erklärt wurde, al-Alawi sei zu Tode geprügelt worden, angeblich von Agenten des ukrainischen Geheimdienstes. Auch diese Videos entsprachen dem Bericht zufolge nicht der Wahrheit.

„Sie haben noch nie eine Figur zurückgebracht“, sagt Darren Linvill, Professor und Direktor des Media Forensics Hub an der Clemson University, der sich intensiv mit russischer Desinformation beschäftigt. YouTube hat das Video von al-Alawi inzwischen gelöscht. Doch wie es meist ist in den sozialen Netzwerken: Ganz verschwindet so etwas selten, wenn es einmal in der Welt ist.

Die wichtigsten Nachrichten des Tages im Überblick:

  • Bundeskanzler Olaf Scholz hat die Kritik an angeblich zu wenig und zu zögerlichen Waffenlieferungen der deutschen Regierung an die Ukraine als eine Debatte bezeichnet, die „an Lächerlichkeit nicht zu überbieten“ sei. Es sei „peinlich“, wie in Deutschland darüber diskutiert werde, sagt er auf der Konferenz „Europe 2024“ von DIE ZEIT, Handelsblatt, Tagesspiegel und WirtschaftsWoche. Die Aussagen von Scholz im Wortlaut.
  • Trotz Kritik will der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich an seinen Äußerungen zum Einfrieren des Ukraine-Kriegs festhalten. „Ich bin in den Sozial- und Friedenswissenschaften ausgebildet. Dort wird das Einfrieren als Begrifflichkeit genutzt, um in einer besonderen Situation zeitlich befristete, lokale Waffenruhen und humanitäre Feuerpausen zu ermöglichen, die überführt werden können in eine beständige Abwesenheit militärischer Gewalt“, sagte er der „Neuen Westfälischen“. Mehr dazu hier.
  • Deutschland wird die Verteidigung der Ukraine gegen den russischen Angriffskrieg kurzfristig mit weiteren Munitionslieferungen unterstützen. Dafür würden 10.000 Artilleriegeschosse aus Beständen der Bundeswehr geliefert, sagte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) am Dienstag in Ramstein bei einem Treffen der sogenannten Ukraine-Kontaktgruppe. Mehr dazu hier.
  • Nach seiner Wiederwahl hat der russische Präsident Wladimir Putin in einer Rede vor dem Inlandsgeheimdienst FSB in Moskau zur Jagd auf „Verräter“ aufgerufen. Sie müssten alle namentlich ermittelt und bestraft werden, sagte Putin am Dienstag in auffällig zornigem Ton. „Wir werden sie unbegrenzt bestrafen, wo immer sie sich aufhalten.“ Mehr dazu hier.
  • Wegen des Beschusses von ukrainischer Seite sollen aus dem grenznahen russischen Gebiet Belgorod 9000 Kinder in Sicherheit gebracht werden. Das kündigte Gebietsgouverneur Wjatscheslaw Gladkow am Dienstag bei einer Sitzung der Kremlpartei Geeintes Russland in Moskau an. Mehr dazu hier.
  • Russische Truppen sind nach Angaben des Verteidigungsministeriums westlich von Awdijiwka weiter vorgerückt und haben jüngst die Ortschaft Orliwka in der ukrainischen Oblast Donezk eingenommen. Karten ukrainischer Militärbeobachter bestätigten die Frontverschiebung. Orliwka liegt nur wenige Kilometer von der unter russischer Kontrolle stehenden und als strategisch wichtig angesehenen Stadt Awdijiwka entfernt. Mehr dazu im Liveblog.
  • Der EU-Außenbeauftrage Josep Borrell schlägt der EU vor, 90 Prozent der eingefrorenen russischen Mittel für den Kauf von Waffen für die Ukraine zu nutzen. Die restlichen zehn Prozent sollten in den EU-Haushalt transferiert werden, um die ukrainische Rüstungsindustrie zu unterstützen. Er wolle seinen Vorschlag am Mittwoch und damit vor dem EU-Gipfel Ende der Woche übermitteln, sagt Borrell in Brüssel vor der Presse.
  • Die estnische Ministerpräsidentin Kaja Kallas hat vorgeschlagen, dass alle Nato-Mitglieder 0,25 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung für Militärhilfe für die Ukraine reservieren sollten. „Wir haben errechnet, dass, wenn alle Mitglieder der Ramstein-Koalition der Ukraine mindestens 0,25 Prozent des BIP an militärischer Hilfe zusagen würden, dies Russland übertrumpfen könnte“, sagte sie am Dienstag in Berlin.
  • Admiral Alexander Moisejew führt künftig die russische Marine. Er übernimmt das Amt von Nikolai Jewmenow, wie die staatliche Nachrichtenagentur RIA berichtet. Sie zeigt Bilder der Zeremonie im Hafen von Kronstadt bei St. Petersburg. In den vergangenen Wochen hatte Russland im Schwarzen Meer mehrere Verluste hinnehmen müssen.
  • Die Zustimmung der Deutschen zu einer Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine ist weiter gesunken. Hatte sich Ende Februar noch gut ein Drittel der Bundesbürger (35%) für eine solche Lieferung ausgesprochen, sind dies laut aktuellem RTL/ntv-Trendbarometer von Forsa nun nur noch 28 Prozent. 66 Prozent lehnen dies ab.

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