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Die ostukrainische Stadt Awdijiwka.

© dpa/Evgeniy Maloletka

Ukraine-Invasion Tag 747: Wie es seit der Einnahme von Awdijiwka weitergeht

Russlands Vormarsch verliert offenbar an Schwung, Kritik für den Papst nach Ukraine-Äußerungen, Russland fertigt wohl dreimal mehr Munition als die USA und Europa. Der Überblick am Abend.

Vor rund drei Wochen fiel die ostukrainische Stadt Awdijiwka an die russischen Streitkräfte. Beobachter sahen mit Sorge, wie Russland an den darauffolgenden Tagen schnell weiteres Land einnahm. Doch nun verliert der Vormarsch offenbar an Schwung, wie die „New York Times“ berichtet.

Bei drei umkämpften Dörfern stockt es aus Sicht der Russen offenbar. Die Zeitung beruft sich dabei auf Militärexperten, denen zufolge die russischen Truppen erschöpft seien und die ukrainische Armee nun erhebliche Kräfte zur Verteidigung des Gebiets einsetze. Die Kämpfe würden sich aktuell zu einem ergebnislosen „Hin und Her“ entwickeln, so wie es in der Vergangenheit schon häufig der Fall war.

„Die Einnahme von Awdijiwka hat nicht zum Zusammenbruch der ukrainischen Linien geführt und den Russen nicht die Möglichkeit gegeben, auf offenes Gelände vorzudringen oder gar größere Gewinne zu erzielen“, sagte Thibault Fouillet, stellvertretender Direktor des Instituts für Strategie- und Verteidigungsstudien, einem französischen Forschungszentrum, gegenüber der „New York Times“. Es gebe keinen entscheidenden Aktionen oder Durchbrüche mehr.

Die russischen Streitkräfte „scheinen zu versuchen, mit kleinen Infanterieangriffsgruppen vorzudringen, werden aber in dem relativ offenen Gelände westlich von Awdijiwka dezimiert“, so auch Pasi Paroinen, Analyst bei der Black Bird Group, einer in Finnland ansässigen Open-Source-Community, die Satellitenbilder und Social-Media-Inhalte vom Schlachtfeld auswertet.

Sollten die russischen Truppen die drei umkämpften Dörfer doch noch einnehmen, sei unklar, wie die weiteren Schritte aussähen. Das Gelände ist hügelig und von Bächen und Stauseen durchzogen, was ein weiteres Vordringen erschwere.

Die wichtigsten Nachrichten des Tages:

  • Bundeskanzler Olaf Scholz teilt nicht die Meinung von Papst Franziskus, dass die Ukraine im Abwehrkampf gegen Russland eine „weiße Fahne“ hissen müsse. Das betont Regierungssprecher Steffen Hebestreit. Die Ukraine wehre sich gegen einen Aggressor. Hebestreit verweist darauf, dass der Sprecher des Papstes versucht habe, die Äußerungen von Franziskus einzuordnen.
  • Die Äußerungen des Papstes stoßen auch beim ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj auf scharfe Kritik. In einer Videobotschaft verwies er auf Geistliche in der ukrainischen Armee, die an der Front konkrete Unterstützung leisteten. Die Kirche sei bei den Menschen - nicht zweieinhalbtausend Kilometer entfernt und „virtuell“ vermittelnd zwischen denen, die leben, und denen, die zerstören wollten. Weitere kritische Stimmen finden Sie hier.
  • In der Debatte über eine mögliche Lieferung von deutschen Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine hat Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg auf das Selbstverteidigungsrecht der Ukraine verwiesen. „Wir müssen uns daran erinnern, was hier passiert: Das ist ein Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, und die Ukraine hat das in der Charta der Vereinten Nationen verankerte Recht auf Selbstverteidigung“, sagte Stoltenberg am Rande einer Zeremonie zur Aufnahme Schweden in die Nato. Dazu gehöre, dass die Nato-Staaten das Recht hätten, die Ukraine bei der Wahrung ihres Rechts auf Selbstverteidigung zu helfen.
  • Die Europa-Spitzenkandidatin der FDP, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, hat die Union wegen ihrer wiederholten Anträge für Taurus-Lieferungen in die Ukraine kritisiert. „Ich appelliere an die CDU: Man muss aufpassen, dass dieses ernsthafte Thema nicht zur Posse verkommt, indem man es jede Woche aufsetzt“, sagte die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses.
  • Die russische Rüstungsindustrie produziert einem Medienbericht fast dreimal so viel Artilleriemunition wie die USA und Europa. Unter Berufung auf eine Nato-Schätzung sowie auf Insiderangaben berichtet der US-Sender CNN, Russland stelle monatlich etwa 250.000 Artilleriegeschosse, also rund 3 Millionen Stück pro Jahr, her. Mehr dazu in unserem Newsblog.
  • Die russische Armee hat sich einem US-Medienbericht zufolge mit dem verstärkten Einsatz gesteuerter Flugzeugbomben an der Front in der Ukraine taktische Vorteile verschafft. Wie der Nachrichtensender CNN berichtet, habe die Ukraine kaum Abwehrmöglichkeiten gegen die Gleitbombe vom Typ FAB-1500. Mehr dazu hier.
  • Belarus hat nach eigenen Angaben eine umfassende Überprüfung der Kampfbereitschaft der Streitkräfte gestartet. Die Übung umfasst die Verlegung von Militärausrüstung sowie Schießen mit scharfer Munition, teilt das Verteidigungsministerium mit.
  • Vor der Sondersitzung des Bundestags-Verteidigungsausschusses über die Taurus-Abhöraktion hat die Union umfassende Aufklärung gefordert. Die Bundesregierung müsse klar machen, warum Kanzler Olaf Scholz (SPD) wochenlang vor einer Kriegsbeteiligung bei einer Taurus-Lieferung gewarnt habe, während Luftwaffenoffiziere diese Gefahr nicht sähen, sagte der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Florian Hahn (CSU).
  • Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil hat in der Causa Taurus-Abhöraktion wiederum vor Spaltungsversuchen durch Russlands Präsident Wladimir Putin gewarnt. Es sei „sehr klar geworden (...), dass wir Opfer eines Informationskrieges hier geworden sind“, sagte Klingbeil im ARD-„Morgenmagazin“. Es müsse sehr ernst genommen werden, dass Putin Deutschland destabilisieren wolle.
  • Europas Waffenimporte haben sich einer Studie zufolge in den vergangenen fünf Jahren fast verdoppelt, was auch auf den Krieg in der Ukraine zurückzuführen ist. Zugleich halbierten sich in diesem Zeitraum die Waffenexporte aus Russland, dem einst weltweit zweitgrößten Waffenexporteur nach den USA, wie aus einem Bericht des Internationalen Friedensforschungsinstituts in Stockholm (Sipri) hervorgeht. Mehr dazu hier.
  • Die russische Staatsführung hat Berichte über eine Entlassung von Marine-Chef Nikolai Jewmenow unkommentiert gelassen. „Es gibt Dekrete, die als geheim gekennzeichnet sind, ich kann sie nicht kommentieren. Es gab keine öffentlichen Dekrete in dieser Angelegenheit“, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow. Zuvor hatte unter anderem die kremlnahe Zeitung „Iswjestija“ berichtet, dass Jewmenow durch den bisherigen Kommandeur der russischen Nordflotte, Alexander Mojsejew, ersetzt worden sei.
  • Das Werk „20 Tage in Mariupol“ hat den Oscar als bester Dokumentarfilm gewonnen. Der Film von Mstyslaw Tschernow, Michelle Mizner und Raney Aronson-Rath dokumentiert die Erlebnisse von AP-Journalisten während rund drei Wochen in der ukrainischen Hafenstadt, als diese Anfang 2022 von russischen Streitkräften belagert wurde.

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