zum Hauptinhalt
Ukrainische Soldaten in einem Schützengraben in der Nähe der russischen Stellungen bei Bachmut.

© dpa/Libkos

Ukraine-Invasion Tag 376: Wie ein ukrainischer KI-Spezialist im Schützengraben in Bachmut landete

Wagner-Gruppe erhöht Druck auf Bachmut, Kiew spricht von neuen russischen Drohnen-Angriffen. Der Überblick am Abend.

Es sind Beschwerden, die man bisher nur von russischen Soldaten hörte: Nach nur wenigen Tagen Ausbildung kommt man an die Front; man erhält Ausrüstung, die teilweise aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs stammt; Teile der Ausrüstung müssen selbst gekauft werden; es gibt Probleme beim Nachschub und extrem hohe Verluste in den eigenen Reihen.

Diese Beschwerden kommen jetzt auch von ukrainischer Seite, von Soldaten, die in Bachmut Dienst tun. Mehrere von ihnen konnte die Zeitung „Kyiv Independent“ in der Nähe von Bachmut interviewen (Quelle hier; mehr dazu unten). 

Teilweise stünden die ukrainischen Positionen Stunden oder Tage unter russischem Feuer, bevor die eigene Artillerie auf den Feind reagiere, erzählen die Interviewten. Auch Munition, Drohnen und leichte gepanzerte Fahrzeuge seien knapp an der Front. Die Munition reiche manchmal nur für ein paar Minuten.

Ihr Bataillon habe innerhalb von zwei Monaten 350 von 500 Soldaten verloren, erzählen zwei der Interviewten weiter. Die Chance, im Schützengrabenkampf zu überleben, schätzen sie auf 30 Prozent. Die Angriffswellen der Russen würden „nonstop“ kommen.

Aber nicht nur an der Front selbst scheint es teilweise chaotisch zuzugehen. So berichtet ein ukrainischer Physiker und KI-Experte, sein Name ist Danilo Butenko, dass er eingezogen wurde und nach nur fünf Tagen Training nach Bachmut an die Front kam (Quelle hier). Ihm selbst kam das wie ein schlechter Scherz vor, rechnete er doch damit, dass seine technischen Fähigkeiten ihn eher zu einer Einheit führen würden, in der er sie auch anwenden kann.  

Bestätigt wird der Bericht von ausländischen Experten und Journalisten, die zuletzt in Bachmut waren. Der US-Russlandexperte Michael Kofman zum Beispiel berichtet von Munitionsknappheit, schlechter Kommunikation zwischen den Truppenteilen und hohen Verlusten. Im Gegensatz zu den Russen scheinen die Ukrainer aber kein Problem damit zu haben, dass die Probleme öffentlich werden.

Tatsächlich gibt es seit Kriegsbeginn Berichte von der Front, die auf Ausrüstungs- und Munitionsmängel auf ukrainischer Seite hinweisen. Das führte teilweise auch zur Demoralisierung der Truppen. Besonders häufig waren sie im letzten Sommer, als russische Truppen die Zwillingsstädte Sjewjerodonezk und Lyssytschansk bestürmten.

Die wichtigsten Nachrichten des Tages:

  • Laut einem „Bild“-Bericht gibt es in Kiew unterschiedliche Meinungen über das weitere Vorgehen in Bachmut. Nach außen geben sich die Militärs einig: Die Stadt wird weiter verteidigt. Mehr dazu lesen Sie hier.
  • Denis Kapustin ging von der Ukraine aus mit einer Gruppe bewaffneter Männer nach Russland und beunruhigte damit den Kreml. Nun hat sich der Rechtsextremist im Interview geäußert. Mehr dazu erfahren Sie hier.
  • Die Söldner der Gruppe Wagner werden in selbstmörderischen Missionen auf die Stellungen der Ukrainer losgelassen. Ein Kämpfer schildert nun, wie er ukrainische Schützengräben attackierte. Er sagt: „Es ist ein Zombie-Krieg.“ Mehr dazu lesen Sie hier.
  • Der ukrainische Geheimdienst mutmaßt, dass Russland im Frühling Probleme haben könnte, genug militärische Güter für den Krieg bereitzustellen. Das sagte Generalmajor Kyrylo Budanow, der „USA Today“. Er geht außerdem davon aus, dass die Ukraine und Russland „in diesem Frühjahr eine entscheidende Schlacht schlagen werden“, diese könne die Letzte sein, bevor der Krieg endet. Mehr dazu erfahren Sie hier.
  • Petro Poroschenko, Ex-Präsident der Ukraine, hat an die Demonstranten um Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer appelliert, sich mit Blick auf den Krieg nicht von den Aussagen des Kreml blenden zu lassen: „Bitte, trauen Sie Putin nicht. Bitte, fürchten Sie sich nicht vor Putin. Bitte, bleiben Sie solidarisch mit der Ukraine“, sagte er dem Tagesspiegel. Mehr hier.
  • Mitten im erbitterten Kampf um Bachmut erhöht Wagner den Druck auf die Regierung in Moskau. Wenn die Söldner-Truppen nicht bald die im Februar versprochene Munition geliefert bekämen und sich deshalb zurückziehen müssten, drohe die gesamte Front zusammenzubrechen, erklärte Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin. Mehr hier.
  • Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck blickt bei der Energieversorgung zuversichtlich auf den kommenden Winter. Der Grünen-Politiker sagtezum Abschluss der Kabinettsklausur in Meseberg, der Füllstand der Gasspeicher sei deutlich höher als zu Beginn des letzten Jahres. Mehr dazu lesen Sie hier.
    Russland droht ein noch größeres Haushaltsloch in diesem Jahr als ohnehin befürchtet. Der russische Staatshaushalt weise nach den Monaten Januar und Februar bereits ein Defizit von 2,581 Billionen Rubel (32,3 Milliarden Euro) auf, teilte das Finanzministerium Interfax zufolge mit. Mehr in unserem Newsblog.
  • Die russische Generalstaatsanwaltschaft hat Transparency International zur „unerwünschten Organisation“ erklärt. Es sei festgestellt worden, dass die Aktivitäten der Anti-Korruptionsorganisation mit Sitz in Berlin eindeutig über die erklärten Ziele und Zwecke hinausgingen, hieß es zur Begründung. 
  • Der russische Inlandsgeheimdienst FSB hat nach eigenen Angaben ein Attentat ukrainischer Kräfte auf einen regierungsnahen Oligarchen vereitelt. Die Mordpläne hätten sich gegen Konstantin Malofejew gerichtet, teilte der Geheimdienst mit. Dem 48-Jährigen gehört unter anderem ein Investmentfonds und ein Fernsehsender. 
  • Die russische Fernostregion Amur wirbt Waisen mit der Vergabe von Wohnungen für die Teilnahme am Krieg in der Ukraine an. Ein Vorrangsrecht auf den Erhalt eines Wohnraumzertifikats hätten diejenigen, die an der militärischen Spezialoperation teilnehmen oder teilgenommen haben“, sagte die Sozialministerin der Region.
  • Im Kampf gegen Korruption setzt die ukrainische Regierung auf einen neuen Chefaufseher. Semen Krywonos, bislang Leiter des Amts für Städteplanung und Architektur, werde neuer Chef der Nationalen Anti-Korruptionsbehörde, gab die Regierung bei einer live übertragenen Kabinettssitzung bekannt. 
  • Das russische Militär hat laut Kiew die Ukraine in der Nacht erneut mit Angriffen aus der Luft überzogen. „Es wurden Drohnen aus nördlicher Richtung gestartet“, sagte der Sprecher der ukrainischen Luftstreitkräfte, Jurij Ihnat, im Fernsehen. Demnach konnte die Flugabwehr 13 der 15 Drohnen abschießen.
  • Infolge des Materialmangels ersetzt Russland im Krieg nach britischer Einschätzung zerstörte Fahrzeuge durch jahrzehntealte Modelle. Zuletzt seien sogar Transportpanzer des sowjetischen Typs BTR-50 in der Ukraine eingesetzt worden, die seit 1954 hergestellt wurden, teilte das Verteidigungsministerium mit.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false