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Präsident Cyril Ramaphosa geriet Anfang Dezember wegen der dubiosen „Farmgate“-Affäre unter Druck.

© AFP / AFP/Phill Magakoe

Südafrika am Scheideweg: Der Fall des Präsidenten Cyril Ramaphosa

Er wollte die Korruption bekämpfen, brachte Hoffnung. Jetzt gibt es gegen Ramaphosa selbst Vorwürfe. Nun stimmt der ANC über ihn ab – und über die Zukunft am Kap.

Südafrika erlebt gerade eine ganz eigene, sehr dramatische Zeitenwende: Es steht innerhalb von nur einem Monat bereits zum zweiten Mal an einer Weggabelung. Nachdem der reformfreudige Präsident Cyril Ramaphosa (70) Anfang Dezember wegen der dubiosen „Farmgate“-Affäre unter Druck geriet, nur knapp davon abgehalten werden konnte, sein Amt direkt niederzulegen, trifft sich ab diesem Freitag nun seine Partei, der ANC, zum regulären Parteitag.

Dort wird auch über Ramaphosas Verbleib an der Parteispitze abgestimmt – und damit über die Zukunft der größten Volkswirtschaft Afrikas.

Der größte Teil des Landes mit seinen rund 60 Millionen Einwohnern begibt sich gerade in die langen Sommerferien – das Ende des Arbeitsjahres wird durch den Feiertag „Tag der Versöhnung“ am 16. Dezember markiert.

Im ANC geht es kaum noch um Ideen. Es geht um Macht. Und der Wettbewerb ist nicht ideologisch, sondern zwischen den ehrlichen und den unehrlichen, korrupten Typen.

David Masondo, Vize-Finanzminister in Südafrika

Währenddessen können politische Kommentatoren und Journalisten in der düsteren Umgebung eines Kongresszentrums südlich von Johannesburg dabei zusehen, wie die 4.500 Delegierten der Partei, die einst die moralische Führung der postkolonialen Befreiungsbewegungen im südlichen Afrika innehatte und 1994 mit Nelson Mandela den ersten schwarzen Präsidenten stellte, um Führungspositionen und die parteipolitische Ausrichtung kämpfen werden. Und zwar hart.

Einer der wenigen verbliebenen Strategen und Denker im ANC, Vize-Finanzminister David Masondo, sagte mir schon Ende 2019: „Im ANC geht es kaum noch um Ideen. Es geht um Macht. Und der Wettbewerb ist nicht ideologisch, sondern zwischen den ehrlichen und den unehrlichen, korrupten Typen.“

Ramaphosa galt als einer auf der richtigen Seite des Abgrunds. Bis „Farmgate“ bekannt wurde. Bei der Affäre geht es um sehr viel Bargeld, von dem Teile 2020 bei einem Überfall auf seine Privatfarm Phala Phala gestohlen worden sein sollen, was Arthur Fraser – früherer Geheimdienstchef unter Jacob Zuma, Ramaphosas Amtsvorgänger – jetzt kurz vor Beginn des Parteitags dramatisch enthüllte. Nachdem zuvor zwei Jahre darüber geschwiegen hatte.

4500
Deligierte des ANC stimmen über den Präsidenten ab.

Ändert das jetzt alles? Ramaphosa hat sich, seit er im Dezember 2017 mit knappem Vorsprung die Präsidentschaft gewann, um den Wiederaufbau der staatlichen Institutionen bemüht, die durch Zumas neunjährige, korruptionsbelastete Präsidentschaft zerstört worden waren. In den ersten Jahren machte er stete Fortschritte.

Er ersetzte die Führung wichtiger Behörden wie der Nationalen Strafverfolgungsbehörde (NPA) durch „saubere Polizisten“, die sich an die schwierige Aufgabe machten, die „Staatsräuber“ der Zuma-Ära zur Rechenschaft zu ziehen. Im Land gab es eine regelrechte „Ramaphorie“. Und bei den letzten nationalen Wahlen 2019 erlebte der ANC einen Aufschwung. Dann kam die Corona-Pandemie und machte alles schwieriger.

Es ist Ramaphosa während der ganzen Zeit nicht gelungen, strategisch nötige Initiativen anzustoßen, etwa die Notwendigkeit, die natürlichen Ressourcen des Landes im Bereich der Erneuerbaren Energien rasch zu nutzen und aus der Kohleabhängigkeit herauszukommen. Stattdessen war er damit beschäftigt, einen widerspenstigen Haufen konkurrierender Fraktionen innerhalb seiner eigenen Partei auf Linie zu halten.

Da sind etwa junge Politiker wie Masondo, der zusammen mit Justizminister Ronald Lamola zu einer Gruppe jüngerer Politiker gehört, die versuchen, die Generationenpolitik im ANC zu durchbrechen und sich jetzt um einige der sechs Spitzenposten im ANC bewerben.

Und da ist die alte Garde, die müde ist und nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Wenn die Partei auch nach den nächsten Parlamentswahlen 2024 an der Macht bleiben will, muss sie innovativ sein und einen Weg finden, den jüngeren Südafrikanern, von denen sich bedenklich viele für die Wahlen nicht mal mehr registrieren lassen, ein überzeugendes Angebot zu machen.

Schwere Energiekrise in Südafrika

Diese demokratiepolitische Krise geht einher mit der sozioökonomischen Krise: mit einem schleppenden Wirtschaftswachstum, das durch eine Energiekrise gebremst wird, die sich in den vergangenen Jahren eher verschlimmert hat, wobei Millionen Produktivitätsstunden durch Stromausfälle (Load Shedding) verloren gehen.

Dazu kommt eine offizielle Arbeitslosenquote von fast 50 Prozent – bei jungen Menschen ist sie sogar noch deutlich höher. Außerdem gibt es ein Gefühl der Gesetzlosigkeit, das in krassem Gegensatz zu den hervorragenden Leistungen vieler Institutionen des Landes steht, wie zum Beispiel der höheren Gerichte und der Rechtsstaatlichkeit sowie der Zentralbank und des Finanzministeriums.

Unabhängig davon, ob Ramaphosa diese Woche als ANC-Präsident wiedergewählt wird, steht dem Land ein holpriger Weg bevor. Der „zweite Übergang“ am Ende von drei Jahrzehnten ANC-Dominanz wird chaotisch sein und noch mehr politische Risiken mit sich bringen. Doch mit seiner lebendigen Zivilgesellschaft und seinem gut geführten Privatsektor ist Südafrika widerstandsfähig. Das Land wird einen Weg finden müssen, trotz und nicht wegen seiner präsidialen Führung zu gedeihen.

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