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Migranten auf Lampedusa

© AFP/Alessandro Serrano

Update

Nach langem Streit: EU-Staaten einigen sich auf Kompromiss bei Asylreform

Die Mitgliedsländer machten nach Angaben der spanischen Ratspräsidentschaft am Mittwoch den Weg für die sogenannte Krisenverordnung frei. Diese gilt als letzter Baustein der Reform.

| Update:

Im Streit um die europäische Asylreform haben sich die EU-Staaten auf einen Kompromiss geeinigt. Die Mitgliedsländer machten nach Angaben der spanischen Ratspräsidentschaft bei der Sitzung der ständigen Vertreter am Mittwoch in Brüssel den Weg für die sogenannte Krisenverordnung frei, die als letzter Baustein der Reform gilt.

Mehrere Diplomaten bestätigten die Einigung, die wichtige Gespräche mit dem Europaparlament ermöglicht, die für den Abschluss der Asylreform wichtig sind.

Über die Krisenverordnung könnte etwa bei einem besonders starken Anstieg der Migration der Zeitraum verlängert werden, in dem Menschen unter haftähnlichen Bedingungen festgehalten werden können. Zudem könnte der Kreis der Menschen vergrößert werden, der für die geplanten strengen Grenzverfahren infrage kommt.

Grundsätzlich sehen die Pläne für die EU-Asylreform zahlreiche Ergänzungen und Verschärfungen vor, um unerwünschte Migration zu begrenzen. Dass über die Pläne für den Krisenmechanismus wochenlang keine Einigung erzielt werden konnte, hatte insbesondere an humanitären Bedenken der Bundesregierung gelegen.

Von der Leyen hält Asylkompromiss für „Gamechanger“

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat sich über die Verständigung der EU-Staaten bei der geplanten Asylreform erfreut gezeigt.

Das sei ein echter „Gamechanger“, teilte von der Leyen am Mittwoch auf der Plattform X (ehemals Twitter) mit. Sie begrüße die erfolgreiche politische Einigung der EU-Staaten.

Scholz sieht „historischen Wendepunkt“

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) schrieb am Mittwoch auf der Plattform X, vormals Twitter, die Einigung sei „ein historischer Wendepunkt“: Die Reform werde „irreguläre Migration in Europa wirksam begrenzen und Staaten wie Deutschland dauerhaft entlasten“. 

Faeser stuft Asylkompromiss als wichtigen Schritt ein

Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat die gemeinsame EU-Krisenverordnung bei der Asylpolitik als wichtigen Schritt nach vorne bezeichnet.

Da die Ratsposition zur Krisenverordnung nun auch formal beschlossen sei, könnten die Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament über ein gemeinsames europäisches Asylsystem jetzt weitergehen, erklärte Faeser am Mittwoch in Berlin. Sie sei froh, dass dies gelungen sei und dass die Bundesregierung ihre Vorstellungen von Menschlichkeit und Ordnung habe durchsetzen können. 

Baerbock lobt Fortschritt bei EU-Asylreform

Außenministerin Annalena Baerbock wertet die EU-Einigung als Erfolg der Bundesregierung. „Wir haben in Brüssel bis zur letzten Minute hart und erfolgreich darum gerungen, dass es nicht zu einer Aufweichung von humanitären Mindeststandards wie dem Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung kommt“, erklärte die Grünen-Politikerin in einer am Mittwoch in Berlin veröffentlichten Mitteilung.

„Durch unseren Einsatz haben wir zudem sichergestellt, dass die Regelungen der Krisenverordnung nur in sehr stichhaltig begründeten Fällen überhaupt gezogen werden können“, so Baerbock. 

Außenministerin Annalena Baerbock in Kiew.

© REUTERS/Valentyn Ogirenko

Asylreform: Deutschland hatte Widerstand aufgegeben

Nachdem der Druck von Partnerländern gestiegen war, gab Berlin allerdings in der vergangenen Woche den Widerstand auf, nachdem es kleinere Zugeständnisse gegeben hatte. Zuletzt sperrte sich dann noch Italien, das nun aber ebenfalls im Ausschuss der ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten einem Kompromiss zustimmte.

In Brüssel hatte die Bundesregierung ihre Ablehnung des Vorschlags für die Verordnung damit erklärt, dass EU-Staaten das Regelwerk nutzen könnten, um Schutzstandards für Migranten auf ein zweifelhaft niedriges Niveau abzusenken. Letztlich konnte sie aber nur noch wenige Verbesserungen durchsetzen.

Nach Angaben aus Regierungskreisen hatte am Mittwoch vergangener Woche Bundeskanzler Scholz informell von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch gemacht hat und angeordnet, den Widerstand gegen die Krisenverordnung aufzugeben.

Nach Einigung: Zeit drängt bis zur Europawahl 2024

Nach der Einigung auf Ebene der Regierungen der EU-Staaten soll nun schnellstmöglich auch mit dem Europaparlament eine Verständigung über das Reformprojekt erzielt werden. Dabei drängt die Zeit angesichts der baldigen Europawahl im Juni 2024. Projekte, die bis dahin nicht mit den Regierungen der Mitgliedstaaten ausgehandelt sind, könnten anschließend wieder infrage gestellt werden und sich lange verzögern.

Im Fall der geplanten Reform des Asylsystems wäre dies ein besonders großer Rückschlag. An dem Projekt wird bereits seit Jahren gearbeitet. Vor allem rechte Parteien wie die AfD werfen der EU seit langem Versagen im Kampf gegen illegale Migration vor.

Grundsätzlich sehen die Pläne für die EU-Asylreform unter anderem einen deutlich härteren Umgang mit Menschen aus Ländern vor, die als relativ sicher gelten. Sie sollen künftig nach einem Grenzübertritt unter haftähnlichen Bedingungen in streng kontrollierte Aufnahmeeinrichtungen kommen.

Dort würde dann im Normalfall innerhalb von zwölf Wochen geprüft werden, ob der Antragsteller Chancen auf Asyl hat. Wenn nicht, soll er umgehend zurückgeschickt werden.

Zudem soll dafür gesorgt werden, dass stark belasteten Staaten wie Italien und Griechenland künftig ein Teil der Asylsuchenden abgenommen wird. Länder, die keine Flüchtlinge aufnehmen wollen, würden zu Ausgleichszahlungen gezwungen werden. (AFP, dpa, epd)

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