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COP28-Präsident Sultan Al Jaber hat die Klimaverhandlungen maßgeblich verantwortet – und ist Ölboss des staatlichen Konzerns in den Vereinigten Arabischen Emiraten.

© dpa/AP/Peter Dejong

Abkehr von Kohle, Öl und Erdgas: Jetzt heißt es in Erneuerbare investieren – oder untergehen

Die Staatengemeinschaft kehrt fossilen Brennstoffen den Rücken. Einige werden den Wandel blockieren, denn der Kampf um die Zukunft der Energieträger hat erst begonnen.

Ein Kommentar von Sinan Reçber

Die Menschheit läutet das Ende der fossilen Ära ein – endlich. Damit nimmt die Weltgemeinschaft eine überfällige Kurskorrektur vor, um die globale Erwärmung langfristig auf 1,5 Grad begrenzen zu können.

Der Beschluss auf der Klimakonferenz COP28 in Dubai ist ein klimapolitischer Wendepunkt: Selbst Petrostaaten wie Saudi-Arabien, Russland und Iran mussten auf Druck der restlichen Länder ihre Blockadehaltung aufgeben und zustimmen.

Ist das nicht ein kleines Wunder? Schließlich hängt das Überleben dieser repressiven Regime auch von den sprudelnden Einnahmen aus dem fossilen Geschäftsmodell ab. Argumentativ scheint die Schlacht damit auch auf der Weltbühne geschlagen. Es geht nur noch um Fristen, Mengen, Umsetzungsfragen. Gab und gibt es irgendein anderes Thema, zu dem ein globaler Konsens mit derartiger Tragweite herbeigeführt wurde? Wohl kaum.

Und trotzdem geben sich einige Klimaschützer enttäuscht: Im Kompromiss sei nur noch von einer „Abkehr“ von den fossilen Brennstoffen die Rede, nicht aber von einem „Ausstieg“. Wichtig ist die Botschaft, und die bleibt unüberhörbar: Kohle, Öl und Erdgas gehören im Großen und Ganzen der Vergangenheit an.

Ist die Einigung in den Vereinigten Arabischen Emiraten das Ende der fossilen Geschichte im Sinne der Pariser Klimaziele? Das zu glauben, wäre naiv. Vielmehr fängt der Kampf um die Zukunft der Energieträger erst an. Und es steht für sehr viele Staaten sehr viel auf dem Spiel.

Die CO₂-Speicherung wird sich als teuer und unausgereift herausstellen

Daran, wie der Konflikt verlaufen wird, bestehen wenig Zweifel: Vertreter der fossilen Interessen werden zunächst den Schock über diesen Beschluss verdauen müssen. Dann werden sie versuchen, ihre Pfründe zu sichern sowie weiter Öl und Gas zu fördern und verbrennen zu lassen.

Einen Vorwand dafür liefert ihnen vorerst der fromme Verweis der Dubaier Erklärung auf Technologien zur Abscheidung und -Speicherung von CO₂. Diese sogenannten CCS-Technologien werden darin als klimaschonende Lösungen ausgewiesen – neben den erneuerbaren Energien und der Atomkraft.

Das bedeutet: Blockierer des Klimaschutzes erhalten offiziell grünes Licht, ihre Emissionen durch die Verbrennung fossiler Energien aufzufangen, im Boden zu verpressen und zu speichern. In der Praxis jedoch wird sich schnell zeigen, dass diese CCS-Technologien unvereinbar sind mit einer wettbewerbsfähigen und klimaschonenden Energieerzeugung.

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Die ökonomische Realität wird damit eine entscheidende Erzählung der fossilen Industrie als irrwitziges Lügenmärchen entlarven – und sollte ihre Vertreter zum Einlenken bewegen. Kein Konzern wird absehbar ernsthaft investieren, um Emissionen aus der Ölförderung oder der Kohleverbrennung im großen Stil abzufangen.

Stattdessen werden sie und die von ihnen abhängigen Staaten auf günstigere Wind- und Solarenergie umschwenken müssen – oder untergehen. Deshalb ist das Adeln der CO₂-Abscheidung als klimaschonende Technologie in der COP28-Erklärung ein Makel. Der Verweis auf CCS ist ein winziges Zugeständnis an die fossilen Mächte – aber auch nicht mehr.

Jetzt braucht es entschlossene Unterstützung

Einige Konzerne werden nach dieser wegweisenden Einigung den Wandel verzögern und sabotieren wollen – ebenso wie eine beratungsresistente Minderheit von Nationen. Doch der Rest der Welt muss unerschütterlich vorangehen beim Klimaschutz: nicht nur der Westen, sondern auch China, Indien und Indonesien. Dass in Dubai die Einigung mit diesen Schwellenländern gelungen ist, zeigt: Die Bereitschaft für den Wandel ist auch dort zu spüren – selbst wenn diese Länder etwas mehr Zeit benötigen als Europa.

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Billionen Dollar jährlich muss in den Klimaschutz in ärmeren Ländern fließen, um die Pariser Klimaziele zu erreichen.

Ein weiteres Vorhaben, das nun in den Emiraten beschlossen wurde, wird die Welt dem 1,5-Grad-Ziel deutlich näher bringen. Nämlich die erneuerbaren Energien bis 2030 zu verdreifachen und die Energieeffizienz massiv zu steigern. Doch Vorhaben wie diese sind keineswegs Selbstläufer. Ihr Erfolg hängt davon ab, dass Industrieländer die Energiewende und die Klimaanpassung in den ärmeren Staaten entschieden unterstützen – auf vielfältige Weise.

Eine entscheidende Säule ist das Engagement für die Reform des internationalen Finanzsystems im Sinne des Klimaschutzes. Dabei müssen wohlhabende Länder auch Mittel bereitstellen – zum Beispiel Exportkreditgarantien –, um Energieprojekte in wenig entwickelten Ländern abzusichern und ihnen einen Schub zu geben.

Diese internationale Unterstützung muss einem Zweck dienen: dass Unternehmen auch in Afrika, Südostasien oder Lateinamerika die nötigen Solaranlagen, Windräder und Stromnetze bauen. Bis 2030 müssen die jährlichen Klimainvestitionen in Schwellen- und Entwicklungsländern auf das Vierfache des jetzigen Niveaus anwachsen – also auf 2,4 Billionen Dollar.

Nur dann kann es der Menschheit gelingen, den Klimawandel einzudämmen. Zum ersten Mal in der Geschichte der Klimadiplomatie hat die Weltgemeinschaft auch offiziell festgehalten, was ohne entschiedene Gegenmaßnahmen droht: Eine Erwärmung um bis zu 2,8 Grad. Das wäre der direkte Weg in die Klimahölle.

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