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Rauch über Khartum am 15. April

© REUTERS/INSTAGRAM @LOSTSHMI

Update

Mindestens 56 Zivilisten getötet: Anhaltende Gefechte bei Machtkampf im Sudan

Die Zahl der Verletzten belaufe sich auf insgesamt 595. Unterdessen gehen die Kämpfe zwischen der Armee und einer paramilitärischen Gruppe weiter.

| Update:

Medienberichten zufolge sollen sich die Kämpfe um das Generalkommando der sudanesischen Armee in der Hauptstadt Khartum intensiviert haben. Am Abend hatte die paramilitärische Gruppe „Rapid Support Forces“ (RSF) die Einnahme des Generalkommandos verkündet, was das Militär als Falschbehauptung bezeichnete. Am Sonntagmorgen teilte das sudanesische Militär trotz der andauernden Kämpfe mit, „dem Sieg nahe zu sein“.

Bei dem gewaltsamen Machtkampf im Sudan sind nach Angaben von Ärzten mindestens 56 Zivilisten sowie zahlreiche Kämpfer getötet worden. Die Zahl der Verletzten belaufe sich auf insgesamt 595, teilte die Ärztevereinigung am Sonntag mit.

Zeugen berichteten von Artilleriefeuer in der Hauptstadt Khartum und anderen Städten des nordostafrikanischen Landes. Das Militär flog Luftangriffe auf einen RSF-Stützpunkt in der Nähe von Khartum. Armeechef General Abdel Fattah al-Burhan forderte die RSF zum Rückzug ihrer Kräfte aus der Hauptstadt auf. Die RSF zeigten sich unnachgiebig.

Wie viele Soldaten und Paramilitärs getötet wurden, blieb zunächst unklar. Die Ärztevereinigung sprach von einer großen Zahl. Genauere Informationen seien aus den Krankenhäusern zunächst aber nicht zu bekommen.

Die Luftwaffe des Sudan forderte die Bevölkerung auf, sich nicht im Freien aufzuhalten, während die Aktivitäten der RSF aus der Luft überwacht würden. Videos in den sozialen Medien zeigten Militärjets im Tiefflug über Khartum. Mindestens einer davon feuerte ein Geschoss ab.

Schüsse und Explosionen in der Hauptstadt

In der Hauptstadt waren am Sonntag Schüsse und Explosionen zu hören, Geschützwagen und gepanzerte Fahrzeuge fuhren durch die Stadt. Banken, Schulen und Behörden blieben geschlossen. Zeugen berichteten erneut von Artilleriegefechten auch in den nahe bei Khartum gelegenen Städten Omdurman und Bahri. Schüsse fielen demnach auch in der Hafenstadt Bur Sudan am Roten Meer, aus der zuvor keine Kämpfe gemeldet worden waren.

Die Ereignisse lösten weltweit Sorge vor einem schweren Bürgerkrieg in dem Staat mit rund 46 Millionen Einwohnern aus.

Die RSF hatten bereits am Samstag erklärt, sie hätten den Präsidentenpalast, die Residenz von General Burhan, den Sitz des Staatsfernsehens sowie den internationalen Flughafen der Hauptstadt Khartum unter ihre Kontrolle gebracht.

Das Militär teilte dagegen mit, die Angriffe abzuwehren. Die RSF buhlen mit der regulären Armee um die Macht, während politische Gruppen sich um die Bildung einer Übergangsregierung bemühen. Eigentlich sollte die RSF in das Militär integriert werden.

In der Hauptstadt Khartum steigt Rauch über Wohnhäusern nach Explosionen auf.

© AFP/-

Die sudanesischen Streitkräfte stimmten am Nachmittag einem Vorschlag der UN zu, ab 16.00 Uhr Ortszeit für drei Stunden einen humanitären Korridor zu schaffen, um Hilfskräften Zugang zu Toten und Verletzten zu gewähren. Die Vereinbarung bestehe allerdings nur, solange sich auch die RSF an die Abmachung halte, teilte das Generalkommando der Streitkräfte mit.

Internationale Reaktionen

Der UN-Sicherheitsrat forderte in seltener Einigkeit von den Kontrahenten, das Blutvergießen zu beenden und Gespräche zur Beendigung der Krise aufzunehmen. Das mächtigste Gremium der Vereinten Nationen will am Montag über die Lage sprechen.

Mehrere wichtige regionale Organisationen trafen sich am Sonntag zu Krisensitzungen. Die Außenminister der Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabiens forderten ein Ende der Gewalt und die Aufnahme von Verhandlungen im Land. Riad und Abu Dhabi unterhalten gute Kontakte sowohl zu al-Burhan als auch zu Daglo. Kämpfer der sudanesischen Armee sowie der RSF unterstützen das von Saudi-Arabien geführte Militärbündnis im Krieg gegen die Huthi-Rebellen im Jemen.

Sudans Nachbarland Ägypten, das ebenfalls enge Verbindungen zu al-Burhan hat, soll unbestätigten Berichten zufolge bereits hinter den Kulissen Gespräche führen, um die Lage zu beruhigen. Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi bot am Sonntag auch offiziell an, zu vermitteln.

Ein Ende der Gewalt forderten am Wochenende auch der Papst, UN-Generalsekretär António Guterres, US-Außenminister Antony Blinken, der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell und Außenministerin Annalena Baerbock.

Der Papst bringt seine Besorgnis angesichts der Kämpfe im Sudan zum Ausdruck.

© dpa/Andrew Medichini

Eine schnelle Lösung ist ungewiss

Die Rhetorik der Kontrahenten machte hingegen wenig Hoffnung auf eine schnelle Lösung: Al-Burhan warf den RSF am Samstag in einem Interview mit dem Fernsehsender Al-Dschasira die Angriffe vor. RSF-Anführer Daglo forderte dagegen, al-Burhan und seine Verbündeten vor Gericht zu stellen. Sein Rivale sei schuld an dem Konflikt und werde entweder gefangen genommen „oder wie ein Hund sterben“, sagte Daglo zu Al-Dschasira. Das Militär verbreitete eine Stellungnahme über Facebook, in der es hieß, Verhandlungen mit den RSF werde es nicht geben, die Gruppe müsse sich auflösen.

Die RSF hatten sich 2013 aus Milizen im westlichen Bundesstaat Darfur zusammengeschlossen. Bei dem jahrzehntelangen Konflikt dort galten sie als brutal agierende Unterstützer der arabisch dominierten Regierung, die gewaltsam gegen die afrikanische Minderheit vorgingen. Die Gruppe und ihr Anführer Daglo wurden für Massenvergewaltigungen und andere schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen verantwortlich gemacht.

Nach dem Sturz von Machthaber al-Baschir 2019 galt Daglo als mächtigster Mann im Sudan. Die Regierungsgeschäfte übernahm aber al-Burhan, der Generalinspekteur der Streitkräfte. Daglo wurde später al-Burhans Stellvertreter im regierenden Übergangsrat.(Reuters/dpa)

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