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Abgeordnete der rechtsextremen Chega-Partei protestieren im portugiesischen Parlament gegen den Besuch des Sozialisten Lula.

© AFP/PATRICIA DE MELO MOREIRA

Lula auf Europa-Tour: Brasiliens Präsident übt den Spagat

Nachdem er die USA und Europa brüskiert hatte, schlägt der Sozialist nun ausgewogenere Töne zum Ukrainekonflikt an. Nach Brüssel will er aber nicht. Welche Strategie dahinter steht.

Brasiliens neuer Präsident besucht erstmals nach Amtsantritt Europa. Aber er lässt Paris, Berlin und Brüssel aus und reist stattdessen nach Portugal und Spanien. Was steckt hinter dieser Planung?

Seit Lula da Silva vor vier Monaten das Präsidentenamt Brasiliens übernommen hat, versucht er, die internationale Glaubwürdigkeit des Landes wiederherzustellen. Sein Vorgänger, der ultrarechte Jair Bolsonaro, hatte Brasilien durch eine zerstörerische Amazonaspolitik, die Beleidigung anderer Staatsoberhäupter und die Ablehnung internationaler Organisationen isoliert.

Lula unternimmt nun eine strategische Reise nach der anderen. Zuerst ging es in die Nachbarländer Argentinien und Uruguay, dann zu US-Präsident Joe Biden nach Washington, wo man sich gegenseitig der Unterstützung der Demokratie versicherte.

Mit auffällig großer Delegation nach China

Vor zwei Wochen reiste der 77-Jährige mit einer auffällig großen Delegation nach China, Brasiliens wichtigstem Handelspartner. Er kehrte mit Investitionsversprechen von fast zehn Milliarden Dollar wieder. Bei einer Visite in den Vereinigten Arabischen Emiraten vereinbarte er kurz darauf Investitionen über 2,3 Milliarden Dollar.

In Brasilía empfing zwischendurch Lula Bundeskanzler Olaf Scholz und den rumänischen Präsidenten Klaus Iohannis – und zum Unmut vieler vor einer Woche auch Russlands Außenminister Sergei Lawrow.

Seit Samstag ist Lula nun erstmals in der EU zu Gast, besucht aber nicht etwa Brüssel, Paris oder Berlin, sondern die iberische Halbinsel. Die EU ist der zweitgrößte Handelspartner Brasiliens, aber es gibt große Unterschiede innerhalb der Gemeinschaft.

Portugal steht Brasilien kulturell am nächsten

Portugal, Lulas erste Station, ist weitaus nicht Brasiliens größter kommerzieller Partner – dies sind die Niederlande und Deutschland –, aber es steht Brasilien kulturell am nächsten. Beide Länder sind verbunden durch eine mehr als 500-jährige Geschichte, die gemeinsame Sprache sowie geschätzt 300.000 Brasilianer, die mittlerweile in Portugal leben. Viele verließen ihre Heimat in der vergangenen Dekade, weil Brasilien ab 2012 in eine wirtschaftliche Krise rutschte. Portugal, das von den Sozialisten regiert wird, nahm sie großzügig auf.

Abgeordnete der rechtsextremen Chega-Partei protestieren im Parlament nach der Rede von Lula gegen dessen als pro-russisch empfundene Äußerungen zum Ukraine-Krieg.
Abgeordnete der rechtsextremen Chega-Partei protestieren im Parlament nach der Rede von Lula gegen dessen als pro-russisch empfundene Äußerungen zum Ukraine-Krieg.

© AFP/PATRICIA DE MELO MOREIRA

Am Montag sagte Lula an der Seite von Portugals Präsident Marcelo Rebelo de Sousa, dass man „gesündigt“ habe, weil es unter Bolsonaro kaum noch einen Dialog zwischen beiden Nationen gegeben habe. Dass Lula nun mit acht Ministern angereist ist und fünf Tage in der „Brudernation“ bleibt, ist daher als Wiedergutmachung zu verstehen.

Nachgeholte Preisverleihung

Ein symbolisch wichtiger Termin war die nachgeholte Verleihung des Prémio Camões. Es ist der höchste Literaturpreis des portugiesischen Sprachraums und ging 2019 an den brasilianischen Autor und Musiker Chico Buarque. Damals verweigerte jedoch Ex-Präsident Bolsonaro die Unterzeichnung der notwendigen Dokumente und verhinderte so die Verleihung.

Mit großer Spannung wurde erwartet, ob Lula sich erneut zum Ukraine-Krieg äußern würde. Mehrfach hatte er behauptet, die Ukraine und Russland trügen die gleiche Schuld am Krieg. Er sagte, dass die EU und die USA den Krieg befeuerten, erwähnte aber nicht Putins Weigerung, die russischen Angriffe einzustellen.

Unkenntnis oder Absicht?

Für viele Beobachter zeugten Lulas Einlassungen von Unkenntnis der Situation. Sie waren aber sicherlich auch der Versuch, sich China weiter anzunähern, das Lula als wichtigsten Partner Brasiliens für die Zukunft identifiziert hat.

Vor wenigen Tagen kulminierten Lulas einseitige Aussagen dann in dem Rat an Kiew, den Russen doch die Krim zu überlassen. Damit habe er sich als Vermittler in dem Konflikt disqualifiziert, kommentierte Brasiliens zweitgrößte Zeitung „O Globo“. Als dieser sieht Lula sich gerne, der traditionellen Linie Brasiliens als neutrale Nation und Friedensbroker folgend. Er hat bereits einen Friedensclub mit Brasilien, China, Indien und Indonesien vorgeschlagen.

Ich habe Russland und die Ukraine nie gleichgesetzt.

Präsident Lula in Portugal, wo er ausgewogenere Töne anschlägt als in China

Vielleicht auch um den Eindruck der Parteilichkeit zu zerstreuen, schlug Lula in Portugal wieder ausgewogenere Töne an. „Ich habe Russland und die Ukraine nie gleichgesetzt“, verteidigte er sich, aber „jemand muss endlich über Frieden sprechen“. Er impliziert, dass er dafür der geeignetste Partner sei.

Es bleibt nun abzuwarten, was Lula in Spanien zum Ukraine-Konflikt von sich gibt, der zweiten Station seiner Europa-Reise, wo er an diesem Mittwoch eintrifft. Spanien ist Brasiliens drittgrößter Handelspartner in der EU und wird im zweiten Halbjahr die EU-Ratspräsidentschaft übernehmen.

Dies ist bedeutsam, weil Lula die schnelle Verabschiedung des Freihandelskommens zwischen der EU und dem Wirtschaftsbündnis Mercosur (Brasilien, Argentinien, Uruguay, Paraguay) will. Der Vertrag würde für Brasiliens Agrarindustrie viele Vorteile bringen.

Die Frage bleibt, warum Lula nicht nach Brüssel reist. Für Demétrio Magnoli vom Zentrum für Internationale Studien in Rio de Janeiro (Cebri), hat es mit seiner Strategie zu tun, sich auf den sogenannten Globalen Süden zu konzentrieren, dessen Achse die BRICS-Staaten sind. Europa betrachte er hingegen als Teil des amerikanischen Machtzirkels.

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