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Ajatollah Ali Chamenei ist der Tonaufnahme zufolge besorgt über die Moral seiner bewaffneten Kräfte und den Zustand der Wirtschaft.

© IMAGO/ZUMA Wire

Leak aus Irans Führungskreisen: Die Angst der Mullahs vor dem Sturz

Ein mehr als zwei Stunden langer Tonmitschnitt offenbart Teherans Propaganda-Strategie. Die Proteste und Streiks reichen demnach weiter als bislang zugegeben.

Eine Audioaufnahme aus einem Gespräch iranischer Top-Ideologen zeigt die Nervosität der Mullahs in nie dagewesener Deutlichkeit. Der 131-minüte Mitschnitt, über den zuerst der „Spiegel“ und die BBC berichteten, wurde von der Hackergruppe Black Reward aus einer Datenbank der staatlichen Nachrichtenagentur Fars News geleakt.

Das Regime ist demnach besonders besorgt über die prominente Rolle von Frauen in der Protestbewegung. „Wir haben ein Problem mit dem Dominoeffekt, der von Frauen ausgeht, die ihre Kopftücher in den sozialen Medien und überall ablegen und das Ganze normalisieren“, sagt Ghasem Ghoreyshi, ein Vertrauter von Ajatollah Ali Chamenei, in der Tonaufnahme, die wohl vom 14. November stammt.

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Am Tod der Kurdin Jina Mahsa Amini hatten sich die Proteste Mitte September entzündet. Die iranische Sittenpolizei hatte die 22-Jährige festgenommen, weil sie angeblich ihr Kopftuch „unislamisch“ trug.

Die Proteste und Streiks sind ausweislich des Leaks deutlich größer als bislang vom Regime zugegeben. Ein Teilnehmer der Unterredung klagt, an einem Tag seien 70 Prozent der Basare geschlossen gewesen, in einigen Regionen sogar 100 Prozent. Unterbinden müsse man zudem den Effekt der Solidarisierung mit prominenten Unterstützerinnen, etwa Schauspielerinnen, die ihr Kopftuch ablegen. Ihnen solle die Mitarbeit an Filmen untersagt werden.

Äußerst besorgt sind die Machthaber offenbar auch, weil Todesfälle bekannter Aktivisten, analog zu Amini, große Demonstrationen hervorrufen könnten. Der Menschenrechtsblogger Hossein Ronaghi etwa, der im September festgenommen wurde und danach in den Hungerstreik trat, habe sich in einem gefährlichen Zustand befunden, sagt der Chamenei-Vertrauter Ghoreyshi. Man habe dann klugerweise ein gestelltes Foto mit Ronaghis Mutter am Krankenbett veröffentlicht, um Reaktionen abzumildern.

Nicht nur in Teheran blieben am Montag Geschäfte geschlossen. Die Protestbewegung hat zu Streiks bis Mittwoch aufgerufen.

© AFP / AFP/Atta Kenare

Die Teilnehmer einigen sich in dem Gespräch auch auf die Sprachregelung, die Proteste seien „gesteuert“ von den USA, Saudis und „Zionisten“. Es solle nur von bereits „beendeten Krawallen“ geredet werden. Zum Zeitpunkt der Unterredung sei gegen 750 Protestierende Anklage erhoben worden, sagt ein Anwesender. Seit November werden im Iran in diesem Zusammenhang Todesurteile ausgesprochen.

Das Regime gab zuletzt zu, mindestens 300 Menschen seien im Zuge der Unruhen zu Tode gekommen. Es gilt als gesichert, dass die tatsächliche Zahl deutlich höher liegt. Ali Chamenei, das legt der geleakte Mitschnitt nahe, hält zudem die Moral der bewaffneten Einheiten sowie die wirtschaftliche Lage für problematisch.

Die Proteste gehen unterdessen weiter. Nachdem Aktivisten zu Streiks aufriefen, die diesen Montag begonnen haben, reagierten die Revolutionsgarden mit der Androhung von Gewalt gegen Demonstranten. Man werde keine Gnade „mit Randalierern, bewaffneten Schlägern und angeheuerten Terroristen des Feindes“ zeigen, hieß es in einer Mitteilung der bewaffneten Eliteeinheit.

Die Protestbewegung hatte zuvor dreitägige Streiks angekündigt, die von Montag bis Mittwoch dauern sollen. Montagmorgen blieben in mehreren Städten Geschäfte geschlossen. (Tsp)

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