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Auf der Suche nach dem Weg zu globalem Erfolg: EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mit Brasiliens Staatsoberhaupt Luiz Inacio Lula da Silva (links neben ihr), Spaniens Regierungschef Pedro Sanchez (rechts neben ihr) sowie zwei Vertretern von Entwicklungsbanken beim EU-Südamerika-Gipfel in Brüssel.

© Reuters/Yves Herman

Handelsabkommen EU-Mercosur: Verspielt Europa seine Zukunft – wie bei TTIP?

Die EU und Südamerika überfrachten ihren Wirtschaftsvertrag mit erzieherischen Anliegen wie Regenwald und Antikolonialismus. Das nützt nur China.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Der EU-Südamerika-Gipfel zu Wochenbeginn ist wohl die letzte Gelegenheit, um das Freihandelsabkommen abzuschließen. Es ist von geopolitischer Bedeutung: Gelingt es Europa, die Mercosur-Staaten durch einen Vertrag über eine strategische Partnerschaft an sich zu binden? Bei einem Scheitern überließe die EU China das Feld.

Umgekehrt müssen sich so wichtige Volkswirtschaften wie Brasilien und Argentinien entscheiden: Wollen sie für ihre Zukunft auf die Demokratien und hoch entwickelten Industriestaaten in Europa setzen? Oder auf autoritäre Regime wie China und Russland?

Bei der Einigung über die letzten strittigen Punkte kommen Europäer und Südamerikaner seit längerem nicht mehr so recht voran. Sie beißen sich an ideologisch aufgeladenen Themen wie Schutz des Regenwalds und Dekolonisierung fest, für die sich – guten Willen vorausgesetzt – pragmatische Kompromisse finden ließen.

Brasiliens Lula gegen Regenwaldschutz durch die EU

Statt dessen legen es beide Seiten darauf an, die andere Seite zu erziehen. Europa möchte Auflagen für den Schutz des Regenwalds durchsetzen, die nicht einmal ein „linker“ Präsident wie Lula da Silva in Brasilien bereit ist zu akzeptieren. Und die China selbstredend nicht macht.

Die Südamerikaner beharren umgekehrt auf Bedingungen beim Abbau ihrer Rohstoffe – etwa der Weiterverarbeitung bei ihnen im Land vor dem Export nach Europa. Sie begründen das mit einem Ausgleich für die Ära des Kolonialismus. Warum aber erlauben sie China die Nutzung ihrer Bodenschätze, ohne einen solchen Nutzen für die heute lebenden Generationen zu verlangen?

Da werden schlechte Erinnerungen an das Scheitern des transatlantischen Freihandelsabkommens TTIP und die Hängepartie bei CETA, dem Handelsvertrag zwischen der EU und Kanada, wach. TTIP kam nicht zustande, weil pädagogische und ideologische Anliegen die Oberhand über die offenkundigen wirtschaftlichen und geostrategischen Vorteile gewannen. Dazu gehörten die im Rückblick hysterisch wirkenden Warnungen vor den sogenannten amerikanischen „Chlorhühnchen“.

Heute gilt das Einknicken der Politik vor dem Protest laustarker Minderheiten als schwerer strategischer Fehler. Selbst in der Ampel-Koalition ist diese Einschätzung so verbreitet, dass TTIP erneut zu einem Ziel im Koalitionsabkommen von 2022 wurde.

Hätten Europa und die USA sich im ersten Anlauf 2014/15 auf Mindeststandards für Umwelt, Industrie, Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz sowie Industrienormen geeinigt, wären diese zum globalen „Gold Standard“ geworden. Dem hätten sich Schwellenländer wie China, Indien, Brasilien und andere nicht auf Dauer entziehen können. Heute ist das schwieriger. Die EU und die USA sind nicht mehr so dominant in der Weltwirtschaft wie damals.

Man möchte hoffen, dass die EU diese Lehre beherzigt. Und nicht erneut eine Basis für den Erfolg künftiger Generationen im globalen Wettbewerb verspielt. Mit China als lachendem Dritten.

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