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Ex-Abgeordnete wollen die EU verklagen.

© picture alliance / Uli Deck/dpa/Uli Deck

Exklusiv

EU-Luxuspensionen : Abgeordnete klagen gegen Kürzung der Zusatzrente

Um die Pleite eines umstrittenen Fonds abzuwenden, kürzte das EU-Parlament die üppigen Auszahlungen. Doch die Begünstigten wehren sich.

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Die Begünstigten eines Fonds für Luxusrenten, der von Hunderten ehemaligen und amtierenden EU-Politikern genutzt wird, wollen wegen der geplanten Kürzung ihrer Bezüge das EU-Parlament vor dem Europäischen Gerichtshof verklagen.

Das bestätigte Stephen Hughes, der Vorsitzende des Verwaltungsrats des Fonds und bis 2014 Abgeordneter der britischen Labour-Partei gegenüber dem Journalistenteam Investigate Europe. Das Parlamentspräsidium hatte vergangenen Monat beschlossen, die Auszahlungen aus dem üppigen System zu kürzen, um einen drohenden Bankrott und wachsende öffentliche Kritik abzuwenden.

Der Tagesspiegel hatte mit Investigate Europe im Mai über das Defizit von 300 Millionen Euro im freiwilligen Pensionsfonds des Europäischen Parlaments berichtet, das aus Steuergeld gedeckt werden sollte.

300
Millionen Euro fehlen dem EU-Pensionsfonds

Dem Fonds gehören rund 900 ehemaligen und aktuelle EU-Abgeordnete an, darunter die französische Rechtspopulistin Marine Le Pen, der britische Brexit-Demagoge Nigel Farage und der EU-Kommissar für Außenpolitik Josep Borrell. Sie alle beziehen üppige Zusatzrenten über das System.

Nach jahrelanger Untätigkeit hatte sich das Präsidium des EU-Parlaments unter dem Druck der zunehmenden Kritik am 12. Juni schließlich darauf geeinigt, die Auszahlungen aus dem System um 50 Prozent zu kürzen, den Inflationsausgleich abzuschaffen und das Rentenalter von 65 auf 67 Jahre anzuheben, um so das drohende Defizit großteils auszugleichen und den Fonds auf einen „nachhaltigeren Weg“ bringen.

Das trifft bei vielen Mitgliedern auf Widerstand, die auf die großzügigen Leistungen des Systems nicht verzichten wollen.

6800
Euro bekommen Ex-Abgeordnete maximal zusätzlich zu ihrer normalen Pension.

Der Fonds wurde 2009 zwar für neue Mitglieder geschlossen. Aber wer zuvor beitrat, erhält mit bis zu 6800 Euro pro Monat bis zum Lebensende ein Vielfaches der ursprünglich eingezahlten Beiträge. In der Regel zusätzlich zur regulären Pension für langjährige Abgeordnete von rund 6900 Euro im Monat.

So beschloss am 29. Juni der Verwaltungsrat des Fonds, der sich aus einem Dutzend meist ehemaliger Europaabgeordneter zusammensetzt, die Entscheidung vor dem Europäischen Gerichtshof anzufechten. Die renommierte spanische Anwaltskanzlei Uría Menéndez wird die Sammelklage bis Oktober bei Gericht einreichen, sagte der Vorsitzende Hughes.

„Wir hoffen, dass eine große Anzahl von Mitgliedern dieser Klage beitritt“, meint Hughes. Aber sie müssten das Für und Wider sorgfältig abwägen. „Wenn das Urteil zu unseren Gunsten ausfällt, werden sie entschädigt. Aber wenn wir verlieren, müssen sie für die Kosten des Prozesses aufkommen.“

Wir sind zuversichtlich, dass die Entscheidung solide ist.

EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola 

Die Kläger werden sich auf die Argumente eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom März 2023 zu stützen. Damals hatte das Gericht zwar eine Klage der ehemaligen konservativen französischen Europaabgeordneten Françoise Grossetête gegen die erfolgten Änderungen des Fonds abgewiesen.

Die Richter erklärten jedoch, dass Rentenkürzungen im Falle einer Insolvenz rechtlich nur zulässig seien, „sofern der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt bleibt“. Außerdem sei immer eine „Interessenabwägung“ erforderlich. Mit anderen Worten: Andere Bezüge, insbesondere die ohnehin gezahlten nationalen und europäischen Pensionszahlungen, müssen berücksichtigt werden.

Hughes meint, dass die beschlossene Kürzung der Pensionszahlungen beiden Grundsätzen des Urteils vom März widerspreche. „Das Präsidium, das die Entscheidung nach dem Medienrummel beschleunigt hat, ist sich dessen wohl bewusst“, sagte er. Präsidentin Roberta Metsola betreibe da ein politisches Spiel.

50
Prozent weniger sollen die Pensionsbezüge fortan betragen.

In erster Linie sei es darum gegangen, einen potenziellen Skandal vor den Europawahlen im Juni 2024 zu vermeiden, der die Reputation des Parlaments nach dem Korruptionsskandal um Bestechungsgelder aus Katar weiter untergraben hätte. De facto übergebe Metsola „die heiße Kartoffel an die nächste Präsidentschaft des EU-Parlaments“.

Denn das Gerichtsverfahren kann bis zu zwei Jahre dauern. Dann wird Metsolas Nachfolger, der voraussichtlich von den Sozialdemokraten gestellt wird, das Urteil umsetzen müssen.

Den Begünstigten werden ihre Pensionen bereits ab diesem Monat gekürzt. Sollte der Europäische Gerichtshof zu dem Schluss kommen, dass dies nicht verhältnismäßig war, könnte das Parlament gezwungen sein, den Betroffenen die Verluste aus dem Budget des Parlaments zu erstatten, also auf Kosten der Steuerzahler.

„Der Beschluss wurde mit dem Juristischen Dienst des Parlaments vorbereitet und stützt sich auf die Entscheidung des Gerichts vom März“, lässt Metsola ihren Sprecher versichern. „Wir sind zuversichtlich, dass die Entscheidung solide ist“, sagt er.

Auch der deutsche Grünen-Abgeordnete Daniel Freund, als Berichterstatter für den Haushalt des Europäischen Parlaments ein scharfer Kritiker des Fonds, hält die Entscheidung für rechtlich einwandfrei. „Aber man weiß nie, was der Europäische Gerichtshof am Ende sagen wird.“

Diesen Artikel hat das Journalistenteam Investigate Europe erstellt, in dem Journalist*innen aus elf europäischen Ländern Themen recherchieren, die europaweit von politischer oder gesellschaftlicher Relevanz sind.

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